Aus dem Medizinischen Zentrum für Nervenheilkunde
der Philipps-Universität Marburg
Geschäftsf. Direktor: Prof. Dr. Dr. H. H. Remschmidt
Neurologische Klinik und Poliklinik
Leiter: Prof. Dr. med. G. Huffmann

Somatosensorisch evozierte zerebrale

Potentiale bei Stimulation des N. supraorbitalis

mit einer konzentrischen Reizelektrode

INAUGURAL - DISSERTATION
zur Erlangung des Doktorgrades der gesamten Medizin
dem Fachbereich Humanmedizin der Philipps-Universität Marburg

vorgelegt von
Judith Strickling geb. Sattler
aus Marburg



Marburg 1992


Inhalt

Seite in der Druckausgabe

1. Einleitung und Problemstellung

1

2. Literaturübersicht

3

3. Untersuchungsgut und Methode

41

3.1. Normalpersonen und Patienten

41

3.2. Allgemeine Untersuchungsbedingungen

42

3.3. Reizmethodik

42

3.4. Ableitemethodik

44

3.5. Auswertung der trigeminus-evozierten Potentiale

45

3.6. Kriterien zur Auswertung der Patienten-TSEP

46

4. Ergebnisse bei Normalpersonen

47

4.1. Untersuchung des N. supraorbitalis

47

4.1.1. Form der Potentialkurve

47

4.1.2. Normwerte der Latenzzeiten

50

4.1.3. Normwerte der Amplituden

50

4.1.4. Seitenvergleich der Latenzzeiten

51

4.1.5. Seitenvergleich der Amplituden

52

4.2. Gegenüberstellung der Meßergebnisse von N. infra- und N. supraorbitalis

55

4.3. Weitere Normwerte für den N. infraorbitalis

59

4.4. Gegenüberstellung der Meßergebnisse von N. supraorbitalis und N. mentalis

61

4.5. Weitere Normwerte für den N. mentalis

65

5. Ergebnisse bei Patienten

68

5.1. Elektrophysiologische Befunde

68

5.2. Vergleich der klinischen mit den elektrophysiologischen Befunden

78

5.3. Ableitungsbeispiele

81

6. Diskussion

95

7. Zusammenfassung

103

8. Literaturverzeichnis

105

9. Anhang

120


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1. Einleitung und Problemstellung

Seit es durch eine mittels Artefakt-Unterdrückung, Filterung und Averaging verbesserte Ableitetechnik möglich ist, evozierte Poten­tiale eindeutig hervorzuheben und vom Hintergrundrauschen abzu­grenzen, hat die Methode der Ableitung dieser Potentiale einen bedeutenden Stellenwert in der Routinediagnostik erlangt. Sie erlaubt es uns, in Verbindung mit der Anamnese und dem klinischen Befund Aussagen über die Funktion des Nervensystems bzw. über die Lokalisation von Affektionen innerhalb desselben zu machen.

So stellt die Ableitung der visuell evozierten Potentiale in der Diagnostik der Multiplen Sklerose ein gewichtiges Hilfsmittel dar. Im Vergleich zu den durch andere Reizmodalitäten hervorgerufenen Potentialen stehen die visuell evozierten Potentiale hierbei nach wie vor an erster Stelle. Außerdem können pathologische visuell evozierte Potentiale Indiz für Schädigungen des N. opticus oder der Sehbahn im Rahmen anderer Erkrankungen sein.

Auf ähnliche Weise kann die Ableitung der frühen akustisch evozier­ten Potentiale Hinweise auf Funktionsstörungen im Bereich des N. acusticus und der Hirnstammabschnitte der Hörbahn geben.

Funktionsstörungen des sensiblen Systems können mit Hilfe der so­matosensorisch evozierten Potentiale aufgedeckt oder bestätigt wer­den. Störungen in der Peripherie, auf Rückenmarksebene und im Zerebrum können unterschieden werden. Korrelat für Affektionen des Hirnstamms können auch die frühen somatosensorisch evozierten Potentiale sein, ohne allerdings topodiagnostisch spezifisch zu sein.

Die Ableitung somatosensorisch evozierter Potentiale über Vermitt­lung des N. trigeminus geht durch Reizartefakte in Form von Reizstromeinbrüchen bereits bei Stimulation des N. infraorbitalis und N. mentalis oftmals mit erheblichen Schwierigkeiten einher. Diese Reizartefakte werden um so größer, je näher der Reizort an den Ableiteelektroden liegt, so daß die Darstellung der zerebralen evo­zierten Potentiale nach Stimulation des N. supraorbitalis bei Verwendung üblicher bipolarer Oberflächenreizelektroden besonders erschwert ist. Deshalb war eine komplette elektrodiagnostische Erfassung des N. trigeminus bisher nicht möglich, und man bediente sich als Ersatz des elektrischen Blinkreflexes. Hierbei ist der afferente Schenkel der 1. Ast des N. trigeminus, der efferente Schenkel der N. facialis.

Ziel der Arbeit ist es, mit Hilfe einer besonderen Reizelektrode Normwerte für Latenzzeiten und Amplituden der zerebral evozierten Potentialantwort des 1. Astes des N. trigeminus zu erstellen. Die zerebral evozierten Potentialantworten des N. supra- und infraorbitalis bzw. des N. mentalis werden außerdem einander gegenübergestellt.

Anhand ausgewählter neurologischer Krankheitsbilder soll beispielhaft das Spektrum möglicher pathologischer Befunde in der Potentialantwort des N. trigeminus dargestellt und zum klinischen Befund im Innervationsgebiet des N. trigeminus in Beziehung gesetzt werden.


2. Literaturübersicht

2.1. Allgemeiner Teil

2.1.1. Darstellung der technischen Entwicklung

DAWSON gelang es 1947 erstmalig, eine Methode zur Darstellung zerebraler Reizantworten zu beschreiben und an einem Patienten mit Myoklonusepilepsie anzuwenden: Die zerebrale Reizantwort nach Stimulation eines peripheren Nerven konnte durch photographische Überlagerung mehrerer Einzelantworten insofern deutlich hervorge­hoben werden, als typische reizsynchrone Merkmale sich bei der Überlagerung deckten, während solche, die nicht in Beziehung zum Stimulus standen, nicht deutlich hervortraten.

Eine technische Verbesserung der Methode vollzog DAWSON 1954, indem er mehrere zerebrale Einzelantworten nach Stimulation eines peripheren Nerven elektronisch aufsummierte und mittelte. Auf diese Weise war es möglich, evozierte Potentiale mit sehr niedrigen Amplituden (1 mV oder weniger) eindeutig darzustellen und vom Hinter­grundrauschen zu trennen. Das Hintergrundrauschen wird einer­seits durch biologische Faktoren wie hirnelektrische Spontan­ aktivität, Aktivität in der Skalpmuskulatur, Augenbewegungen oder kardiogene Potentialschwankungen, anderer­seits durch technische Faktoren, wie Fluktuationen im Verstärker, z. B. durch Einstreuung der 50 Hz-Netzspannung, hervorgerufen (DAWSON, 1950, DESMEDT, 1977).

Das Signal/Rausch-Verhältnis verbessert sich beim Averaging (Aufsummation und Mittelung) mit der Wurzel der Anzahl der Mittelungen (DESMEDT, 1977).

Neben dem Averaging spielen noch weitere technische Parameter zur besseren Darstellung der evozierten Potentialantwort eine wichtige Rolle. So beschreibt DESMEDT (1977), wie Hoch- und Tiefpaß-Filter sinnvoll eingesetzt werden können: Je niedriger man die untere Grenzfrequenz wählt, desto besser kann man sehr langsame Potentialänderungen darstellen. Allerdings kann eine sehr niedrige untere Grenzfrequenz gleichzeitig zur Übersteuerung in der Verstär­kerkette und somit zu Verzerrungen führen. Das bedeutet, daß man die untere Grenzfrequenz auch zur Darstellung sehr langsamer Potential­ änderungen aufgrund zu erwartender technisch bedingter Artefakte nicht beliebig niedrig wählen darf.

Wählt man die obere Grenzfrequenz niedrig, kommt es bei sehr raschen Potentialänderungen zu Amplitudenreduktion und Latenz­verzö­gerung. Deshalb empfiehlt DESMEDT (1977) für die Darstellung früher Komponenten somatosensorisch evozierter Poten­tiale (SEP) eine obere Grenzfrequenz von mindestens 1 kHz oder besser 3 kHz.

Neben den Grenzfrequenzen ist auch die Schwächungscharakteristik jenseits der Grenzfrequenzen von Bedeutung. Die Schwächung wird in Prozent oder in dB/Oktave angegeben. Je größer die Schwächung, desto eher kommt es zu Amplitudenreduktion und Latenzverzögerung (DESMEDT, 1977).

Eine weitere Verbesserung der Darstellung von Potentialkurven kann durch Kombination von Hoch- und Tiefpaß-Filter mit nachträglicher Glättung der Kurve durch digitale Filterung erreicht werden (MORIN et al., 1986). Der Vorteil dieser Methode ist die Verminderung der aufzusummierenden Reize, was die Untersuchungszeit verkürzt und somit den Patienten weniger belastet. Allerdings kann zu rigoroses Filtern zu Verzerrungen und damit zu Fehlinterpretationen führen.

Averaging und Filtern reichen zur Elimination von Artefakten, die in ihrer Amplitude das relevante Potential weit übersteigen, nicht aus. Deshalb definiert man zur Artefakt-Unterdrückung Artefakt-Grenzen, d. h. eine Ober- und eine Untergrenze für die Amplituden, die zur Mittelwertbildung herangezogen werden (DESMEDT, 1977, CAUSMAECKER, 1984).

Mit Hilfe von Averaging, Filterung und Artefakt-Unterdrückung ist es möglich, auch evozierte Potentiale mit niedrigen Amplituden und kur­zen Latenzzeiten darzustellen.

2.1.2. Ableiteelektroden

Für die Wahl der Ableiteelektroden ist der Haut-Elektroden-Übergangswiderstand das entscheidende Kriterium. Ag/AgCl-Oberflä­chen­elektroden haben einen niedrigeren Übergangs­wider­stand (1 kW) als Nadelelektroden (3 kW) und werden vom Patienten besser toleriert, da sie kein invasives Vorgehen erfor­derlich machen (CAUS­MAECKER, 1984). Nach DESMEDT (1977) reichen Nadelelektroden jedoch in Verbindung mit Verstärkern mit hoher Eingangsimpedanz aus, so daß es dem Untersucher überlassen bleibt, für welche Elektrode er sich entscheidet.

Was die Anordnung der Ableiteelektroden betrifft, unterscheidet man grundsätzlich zwischen monopolarer und bipolarer Ableitung. Bei der monopolaren Ableitung werden solche Punkte als Referenz gewählt, die sich bezogen auf die Reizantwort möglichst inaktiv verhalten. Hier werden vor allem das Ohr (u. a. CRACCO, 1972, SANCES et al., 1978), aber auch die Nasenwurzel (GOFF et al., 1962) und das Mastoid (SANCES et al., 1978) benutzt.

Vorteile der monopolaren Ableitung sind neben der besseren Vergleichbarkeit mit den bisherigen Untersuchungen an Tieren vor allem die geringere interindividuelle Variabilität im Kurvenverlauf (GOFF et al., 1962) und die bessere Darstellbarkeit von Potentialen mit niedriger Amplitude und weit gestreuter Verteilung über dem Skalp. Bei bipolarer Ableitung sind diese Potentiale im Vergleich zur monopolaren in der Amplitude häufig reduziert oder vergrößert, in der Latenz verändert, in der Polarität umgekehrt oder sogar über­haupt nicht darstellbar (CRACCO, 1972). Der Grund dafür sind die Spannungsunterschiede an den beiden Ableitepunkten.

Nach SANCES et al. (1978) ist es jedoch mit der bipolaren Ableitung besser möglich, den Ursprungsort des Potentials zu lokalisieren. Aufgrund der größeren passiven Streuung kann es bei monopolarer Ableitung zur Überschätzung der räumlichen Ausdehnung des Potentials kommen (GOFF et al., 1962). Nachteil der monopolaren Ableitung sind die Muskelartefakte durch die zwischen den beiden Elektroden liegenden Muskelmassen (SANCES, 1978, CHIAPPA, 1983).

Die Bezeichnungen für die Elektrodenpositionen über dem Skalp richten sich nach dem sogenannten "Ten-twenty-Schema" (JASPER, 1958).

2.1.3. Reizelektroden

Als Reizelektroden werden von den meisten Untersuchern Oberflächenelektroden benutzt. Es ist möglich, die Elektroden uni- oder bipolar anzuordnen. Bei der unipolaren Anordnung wird die Anode in Form eines zirkulären Bandes proximal von der Reizstelle angelegt (GESTRING und JANTSCH, 1969). Bei der am häufigsten angewandten bipolaren Anordnung sitzt die Kathode proximal von der Anode (ALLISON, 1961, GOFF et al., 1962, LÜDERS, 1970), wobei der Abstand zwischen den Elektroden zwischen 3 cm (SHAGASS und SCHWARTZ, 1963, CRACCO, 1972, LESSER, 1979) und 5 cm (BAUST und JÖRG, 1974) variiert. LARSON (1966) und KÜHN et al. (1973) positionieren jedoch die Anode proximal von der Kathode in einem Abstand von 5 bzw. 2,5 cm.

Für die Stimulation von Fingern oder Zehen werden Ringelektroden benutzt (HALLIDAY, 1963, DESMEDT, 1971).

2.1.4. Stimulusparameter

Bei Variation der verschiedenen Stimulusparameter ändert sich die Potentialkurve in ihrer Ausprägung. Mit abnehmender Stimulusinten­sität nimmt auch die Amplitude des evozierten Potentials und eines gleichzeitig abgeleiteten Nervenaktionspotentials ab (DAWSON, 1950). Aus der Tatsache, daß letzteres schneller abnimmt, folgerte DAWSON (1950), daß das evo­zierte zerebrale Potential hauptsächlich durch Fasern mit einer sehr niedrigen Reizschwelle, die unterhalb der Schwelle für antidrom er­regte motorische Fasern liegt, hervorgerufen wird.

Den direkten Zusammenhang zwischen Stimulusintensität und Amplitude des evozierten Potentials bestätigten in späteren Untersuchungen SHAGASS und SCHWARTZ (1961), GIBLIN (1964), LARSON et al. (1966), CRACCO und BICKFORD (1968), DESMEDT (1971), KÜHN et al. (1973) und LESSER et al. (1979).

Von besonderer Bedeutung sind die Beobachtungen von SHAGASS und SCHWARTZ (1961) und GIBLIN (1964), daß im Falle der Stimulation eines rein sensiblen Nerven erst bei Reizstärken oberhalb der sensiblen elektrischen Reizschwelle Potentiale ableitbar sind.

Im Falle der Stimulation eines gemischten Nerven findet man bei Erhöhung der Reizstärke über die motorische Reizschwelle hinaus keine weitere Amplitudenzunahme (LARSON et al., 1966). So emp­fiehlt CHIAPPA (1983), die Reizstärke gerade so hoch zu wählen, daß eine minimale Bewegung im entsprechenden Muskel entsteht (z. B. eine Zuckung des Daumens bei Medianusreizung). LESSER et al. (1979) hingegen definieren den Punkt, an dem die Amplituden etwa ihren maximalen Wert erreichen, als die Summe aus motorischer und sensibler Reizschwelle.

Latenzveränderungen in Abhängigkeit von der Reizstärke sind nicht in allen Untersuchungen beobachtet worden. Während LARSON et al. (1966) keine Beeinflussung der Latenzzeiten feststellten, beschrieben KÜHN et al. (1973) und DESMEDT (1971) Latenzzeitverzögerungen bei schwacher Reizung. Nach DESMEDT (1971) haben die Latenzen einen charakteristischen minimalen Wert, wenn die Reizstärke min­destens den Wert der zweifachen Schwellenintensität beträgt.

Nach KÜHN et al. (1973) wirkt sich die Reizstärke außerdem darauf aus, mit welcher Regelmäßigkeit die einzelnen Gipfel der Potentialkurve auftreten: Bei schwacher Reizintensität tritt innerhalb eines Kollektivs von Versuchspersonen jeder einzelne Gipfel seltener auf, d. h. die Gipfel sind mit abnehmender Stimulusintensität vermin­dert darstellbar.

Zwischen der Reizdauer und der Ausprägung des Potentials besteht der gleiche Zusammenhang wie zwischen Reizstärke und Ausprägung des Potentials: CRACCO und BICKFORD (1968) beschrieben einen Amplitudenanstieg der Reizantwort mit steigender Stimulusdauer bei konstanter Reizstärke. Wird die Reizdauer im Falle der Stimulation von gemischten Nerven unterhalb der Reizschwelle für motorische Fasern gehalten, werden Amplitude und Konfiguration des Potentials beeinflußt; sobald diese jedoch erreicht ist, treten keine Veränderungen mehr auf (LARSON et al., 1966).

Den Einfluß der Stimulusfrequenz auf die Ausprägung des Potentials erkannte bereits DAWSON 1947. Er unterscheidet zwei Anteile des evozierten Potentials: Einen frühen, dessen Form und Größe bis zu einer Stimulusfrequenz von 1 Hz unbeeinflußt bleibt, und einen spä­ten mit einer langsameren Welle, die bei der gleichen Stimulations­rate nach einigen Stimuli verschwindet.

In seiner Arbeit zur Vereinheitlichung der Methodik empfiehlt DESMEDT (1977) zur Darstellung früher Komponenten ein Stimulusintervall von 1 oder 2 s, für die späten langsamen Komponenten ein Intervall von mindestens 4 s. Diese großen Stimulusintervalle gelten erst für Latenzzeiten von 30 ms und mehr.

So schrieb CHIAPPA (1983), daß erst bei Stimulusfrequenzen, die we­sentlich über 5 Hz hinausgehen, Veränderungen der Potential­konfi­gura­tion und der Latenzzeiten auftreten. Daher hält er eine Stimulus­ frequenz von 5 Hz zumindest bei Stimulation der oberen Extremität für angemessen. Spinale und zerebrale Potentiale nach Reizung der unteren Extremität hingegen sind seiner Meinung nach bei einer Stimulusfrequenz von 2 Hz wesentlich besser darstellbar.

2.1.5. Biologische Parameter

Die Abhängigkeit der Potentialausprägung vom Lebensalter zeigt sich in Latenz- und Amplitudenveränderungen. Mit steigendem Alter kommt es zu Latenzverzögerungen (LÜDERS, 1970, SCHENKEN­BERG et al., 1971, DORFMAN und BOSLEY, 1979, KÜHN et al., 1973) und zu Amplitudenvergrößerungen (SHAGASS und SCHWARTZ, 1965, LÜDERS, 1970). Diesen geht jedoch nach LÜDERS (1970) in einem Alter zwischen 30 und 45 Jahren zunächst eine Amplitudenreduktion voraus, bevor es im höheren Alter zum Amplitudenanstieg kommt. KÜHN et al. (1973) hingegen beobachte­ten beim Vergleich von Versuchspersonen unter 35 mit solchen über 55 Jahren weder eine Altersabhängigkeit der Darstellbarkeit einzel­ner Gipfel noch eine Altersabhängigkeit der Amplitudenhöhe, ob­wohl sie ihre Methode weitgehend der von SHAGASS und SCHWARTZ angepaßt haben.

Für die Latenzzeiten liegt neben der Abhängigkeit vom Lebensalter auch eine Abhängigkeit vom Geschlecht vor. SHAGASS und SCHWARTZ (1965) geben längere Latenzzeiten für Männer als für Frauen an. Nach SCHENKENBERG et al. (1971) kehrt sich dieses Verhältnis im Alter zwischen 20 und 30 Jahren um.

Die Körpergröße ist besonders bei der Stimulation von Beinnerven zu berücksichtigen, da die SEP-Latenzen direkt mit der Körpergröße korrelieren (DORFMAN, 1979). Bei Reizung der oberen Extremität fällt die Körpergröße nicht so stark ins Gewicht, wenn die Latenzen in Relation zum Potential am Erb'schen Punkt bestimmt werden, wäh­rend bei Stimulation der unteren Extremität die Anwendung eines Korrekturfaktors für die Körpergröße unumgänglich ist (CHIAPPA, 1983). Nach VOGEL und VOGEL (1982) weisen die Latenzzeiten bei Stimulation der unteren Extremität (N. suralis) eine so beträchtliche Streuung auf, daß auch die Berücksichtigung der Körpergröße keine Verbesserung bedeutet.

2.1.6. Elektrische und physiologische Stimulation

Neben evozierten Potentialen nach elektrischer Stimulation wurden auch mit Hilfe physiologischer Stimuli hervorgerufene Potentiale unter­sucht. So kann die Haut durch Bestreichen, Druck, Schmerz, Kälte oder Wärme gereizt werden (GIBLIN, 1964, BAUST et al., 1974). Ebenso können evozierte Potentiale durch passive oder aktive Bewe­gung von Fingern hervorgerufen werden (GIBLIN 1964). Außerdem führt die mechanische Stimulation durch leichte Schläge auf eine Sehne oder einen Muskelbauch zu einem ableitbaren Potential (COHEN et al., 1985).

Ein Vergleich zwischen elektrischer und physiologischer Stimulation führt nach diesen Untersuchungen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

GIBLIN (1964) stellte abgesehen von einer Amplitudenreduktion der zere­bralen Antwort bei physiologischer Stimulation keine weiteren Ver­än­derungen gegenüber der zerebralen Antwort bei elektrischer Stimulation fest.

BAUST et al. (1974) fanden nach Dermatomreizung mit spezifischen Sti­mu­li wie Druck, Schmerz, Wärme und Kälte Potentiale mit gering­fü­gi­gen Latenzverzögerungen. In Form und Größe entsprechen die Poten­tiale denen nach elektrischer Reizung. Die Latenzunterschiede sind nicht signifikant. Die Verzögerung wird durch Einbeziehung in­tra­kutaner Rezeptoren, die bei Nervenstammreizung umgangen wer­den, erklärt.

Nach Stimulation durch leichten Schlag auf Sehnen und Muskel­bäuche der unteren Extremität werden im hierdurch evozierten Potential frühe­re Latenzzeiten gemessen als nach elektrischer und kutaner Stimu­ lation in gleicher Höhe (COHEN et al., 1985). Die Amplitude ist jedoch bei elektrischer Stimulation wegen der größeren Anzahl erreg­ter Fasern höher. Die Latenzzeitverkürzung wird vor allem auf die Erre­ gung von Endigungen primärer Muskelspindeln zurückgeführt, die proximal vom Stimulationsort liegen und Ausgangs­punkt für besonders schnell leitende Fasern sind.

2.1.7. Untersuchungen am offenen Gehirn und tierexperimentelle Befunde

Für Aussagen über den Entstehungsort früher und später Komponenten evozierter Potentiale sind Ableitungen während neuro­chirurgischer Operationen von besonderer Bedeutung (JASPER et al., 1960, STOHR und GOLDRING, 1969, SANCES et al., 1978).

STOHR und GOLDRING (1969) stellten eine Entsprechung der vom Skalp abgeleiteten Potentiale mit den transkortikal abgeleiteten Potentialen fest. Die Amplituden der Skalp-Potentiale sind allerdings deutlich niedriger. Außerdem differieren die Latenzzeiten und die Dauer der einzelnen Wellen bei den verschiedenen Ableitungen.

Bei Medianus- bzw. Ulnaris-Stimulation können Potentiale über dem kontralateralen Hand- und Arm-Repräsentationsgebiet des Gyrus postcentralis abgeleitet werden. Allerdings sind die späten Anteile des Potentials sehr variabel in Latenz, Dauer und Polarität und haben eine größere Ausdehnung über dem Kortex, während der frühe zwei- oder dreiphasische Komplex (25 - 30 ms bei Medianusreizung, 18 - 24 ms bei Ulnarisreizung) kaum interindividuelle Differenzen auf­weist und auf einen umschriebenen kortikalen Bezirk begrenzt ist. Es be­steht kein Unterschied zwischen Ableitungen unter Lokal­anästhesie und solchen unter Allgemeinanästhesie (JASPER et al., 1960, STOHR und GOLDRING, 1969).

Aus diesen Beobachtungen schließen die oben genannten Untersucher, daß der frühe Komplex des Potentials im Bereich des Gyrus postcentralis generiert wird. STOHR und GOLDRING (1969) erhärten diese Vermutung durch Ableitungen nach Operationen wie Hemisphärektomie oder Exzision des sensorischen Handareals, bei denen nach kontralateraler Reizung kein Potential zur Darstellung kam.

JASPER et al. (1960) verdeutlichen die enge Beziehung zwischen dem evozierten Potential und dem Gyrus postcentralis durch Stimulation des vermeintlichen Entstehungsortes: Die Patienten gaben Taubheits- und Wärmegefühle in Arm und Hand an, die teils auf das Versorgungsgebiet des N.ulnaris beschränkt waren, teils aber auch in das des N.medianus übergriffen.

SANCES et al. (1978) leiteten frühere Potentiale von 13 - 16 ms (P15) in den Hinterhörnern des Cervikalmarkes ab und postulieren deshalb zunächst, daß diese in den Kerngebieten der Hinterhörner generiert werden. Sie sind identisch mit Ableitungen vom Vertex gegen eine Referenzelektrode am Ohr, am Mastoid oder an der Basis des Os oc­cipitale. 5 - 6 ms später auftretende Potentiale werden parasagittal abgeleitet und entsprechen den von JASPER et al. (1960) und STOHR und GOLDRING (1969) gefundenen frühen Potentialen.

Ableitungen vom Vertex und vom Zervikalmark in Höhe von C1 nach Durchtrennung des oberen Zervikalmarkes oder der mittleren Ponsregion an Affen zeigen, daß der Generator von P15 zwischen die­sen Regionen, d.h. subkortikal, gelegen sein muß. Den späteren Anteilen des Potentials hingegen werden wie bei JASPER et al. (1960) und STOHR und GOLDRING (1969) kortikale Generatoren zugeord­net, da sie bei den Durchtrennungen nicht zur Darstellung kommen (SANCES et al., 1978).

2.1.8. Generatoren und Leitungswege der Potentiale

Abgesehen von Untersuchungen am offenen Gehirn während neuro­chirurgischer Operationen erlauben auch andere Methoden, Aussagen über Entstehungsort und Weiterleitung einzelner Peaks zu treffen. Im Vordergrund stehen die Untersuchung der Potentialverteilung über dem Skalp mit Feststellung der Orte der Amplitudenmaxima (DAWSON, 1947, GOFF et al., 1962, GIBLIN, 1964, LARSON et al., 1966, CRACCO und BICKFORD, 1968, DESMEDT, 1971, CRACCO, 1972, GOFF et al.,1976), der Vergleich der Potentialkurven bei Benutzung von zephalen und extrazephalen Ableiteelektroden (CRACCO, 1971, YAMADA et al., 1979, RIFFEL und STÖHR, 1982), die Erholungscharakteristik bei Doppelreizen (ALLISON, 1962, SHAGASS und SCHWARTZ, 1963) und der Vergleich normaler Potentialkurven mit pathologischen von Patienten mit umschriebenen neurologischen Ausfällen (HALLIDAY und WAKEFIELD, 1963, GIBLIN, 1964, WILLIAMSON et al., 1970, TSUMOTO et al., 1973, BAUST et al., 1974, DORFMAN, 1977, ANZISKA et al., 1978, ANZISKA und CRACCO, 1980, MAUGUIERE und COURJON, 1981).

Allerdings ist es nicht möglich, mit Hilfe einer dieser Methoden allein Aussagen über die Generatoren der Potentiale zu machen, sondern eine vergleichende Betrachtung, vor allem auch im Rückgriff auf frühere Studien, ist erforderlich. Auf diese Weise kommen die Untersucher zu folgenden Ergebnissen:

Die über dem Kortex ableitbaren Potentialspitzen treten innerhalb von 300 - 500 ms auf (ALLISON, 1962, GOFF et al., 1962, DESMEDT, 1971).

Die Potentiale weisen ihre größte Amplitude kontralateral zur Stimulationsseite über dem somatosensorischen Repräsentationsfeld für den Arm bzw. das Bein des Gyrus postcentralis auf (DAWSON, 1947 und 1950, ALLISON, 1961, GOFF et al., 1962, LIBERSON und KIM, 1963, LARSON et al., 1966, CRACCO und BICKFORD, 1968, DESMEDT, 1971, CRACCO, 1972, VOGEL und VOGEL, 1982).

Auch über der ipsilateralen Hemisphäre stellt sich die Potentialkurve in ähnlicher Form wie kontralateral dar. Die frühen Komponenten (N20 und P23) stellen sich allerdings mit geringerer Amplitude dar, so daß DESMEDT (1971) für diese Komponenten eine Übertragung von kontralateral über den Balken annimmt. Die späten Komponenten hingegen zeigen eine deutliche Repräsentation über beiden Hemisphären (GOFF, 1962, DESMEDT, 1971). WILLIAMSON et al. (1970) betrachten auch diese Komponenten als Folge einer Aktivierung der ipsilateralen Hemisphäre von kontralateral über den Balken. Nach CRACCO (1972) treten die Latenzzeiten ipsilateral ver­zögert gegenüber kontralateral auf. Auch dieser Befund spricht für eine Übertragung über den Balken.

Ebenso sehen TSUMOTO et al. (1973) eine Abhängigkeit der Ausprägung der ipsilateralen Antwort von der kortikalen Aktivität der kontralateralen Seite, allerdings nicht von der kontralateralen späten Antwort, sondern von der kontralateralen initialen Antwort. Fehlt diese nämlich oder ist sie in ihrer Amplitude gedämpft, findet man ei­ne gleichsinnige Veränderung der späten Antwort über beiden Hemisphären.

Die interhemisphärische Übertragung über den Balken wird durch Tierexperimente von LARSON (1966) in Frage gestellt: Nach Durchtrennung des Balkens blieb die Potentialkurve auf beiden Hemisphären erhalten. Bei einer Läsion im Bereich des Nucleus ven­tralis posterior lateralis hingegen fehlte die Potentialantwort über beiden Hemisphären.

Umstritten ist die Frage, ob die Potentiale von peripheren Nerven nur über die Hinterstränge nach zentral geleitet werden (HALLIDAY und WAKEFIELD, 1963 GIBLIN, 1964, LARSON et al., 1966, DESMEDT, 1971, DORFMANN et al., 1977) oder ob eventuell auch der Tractus spinothalamicus der Weiterleitung dient (BAUST et al., 1974).

Bei Patienten mit Tiefensensibilitätsstörungen unterschiedlicher Ursache sind die Potentiale nicht ableitbar, latenzverzögert oder sehr in ihrer Amplitude reduziert; bei Verlust des Schmerz- und Temperaturempfindens hingegen wird die Darstellung der Potentiale nicht beeinträchtigt (HALLIDAY und WAKEFIELD, 1963, GIBLIN, 1964, LARSON et al., 1966, DORFMAN et al., 1977).

BAUST et al. (1974) finden im Gegensatz dazu auch bei Patienten mit dissoziierter Empfindungsstörung nach Dermatomreizung Amplitu­den­reduktion und Latenzverzögerungen. Deshalb vermuten sie, daß sowohl über die Hinterstränge als auch über spinothalamische Bahnen Antwortpotentiale ausgelöst werden. Solange hinreichende Belege für eine Potentialauslösung durch Generatoren außerhalb des Hinter­strang­systems nicht vorliegen, empfiehlt CHIAPPA (1983), somato­sensorisch evozierte Potentiale als Ausdruck von über Hinterstränge und Lemniscus medialis geleiteten Strömen aufzufas­ sen.

Bei Ableitung über dem Skalp treten die frühesten Potentialspitzen bei Medianusreizung nach 9, 11, 13 und 14 ms auf. Es handelt sich hierbei um volumengeleitete Potentiale, die sich auch bei Normalpersonen interindividuell in Amplitude und Latenz sehr von­einander unterscheiden, so daß eine zuverlässige Ableitung nur bei einem festgelegten Arrangement der Ableiteelektroden möglich ist. Von den meisten Untersuchern werden außerhalb des Kopfes gelege­ne Referenzelektroden benutzt (z.B. Knie oder Handrücken). Nach CHIAPPA (1983) sind die Potentiale auch bei dieser Anordnung sehr anfällig gegenüber Bewegungsartefakten. Er empfiehlt, die differente Elektrode frontal-zentral und die indifferente über dem zweiten Halswirbel zu plazieren. Je nach Ableitung über dem Nacken oder über dem Skalp haben die Potentiale positive oder negative Polarität. Folgende Generatoren werden ihnen zugeordnet:

N9 bzw. P9 - distaler Plexus brachialis,

N11 bzw. P11 - Nerveneintritt in die Hinterwurzel oder Halsmark (Truncus cuneatus),

N13 bzw. P13 - Hinterhorn,

N14 bzw. P14 - Lemniscus medialis oder thalamo-kortikale Strukturen (ANZISKA et al., 1978, YAMADA et al., 1980, RIFFEL und STÖHR, 1982, CHIAPPA, 1983).

Entsprechend werden den bei Tibialisreizung abgeleiteten Peaks P17, P24, P27 und P31 jeweils der distale Sakralplexus, die Eintrittstelle in den Conus medullaris, das rostrale Rückenmark und der Hirnstamm als Generatoren zugeordnet (YAMADA et al., 1982).

Nach Ischiadicusreizung bei Ratten beobachtete WIEDERHOLT (1975) frühe Potentiale zwischen 6 und 10 ms und ein spätes zwischen 15 und 17 ms mit vorwiegend ipsilateraler Repräsentation. Die Generatoren dieser Potentiale werden im Hirnstamm lokalisiert, da sie bei hoher Durchtrennung des Hirnstamms erhalten bleiben.

Vor den kortikal generierten Potentialen tritt regelmäßig nach unge­fähr 15 ms eine positive Schwankung mit weitgestreuter Verteilung über dem Skalp auf. Der Entstehungsort dieses initialen positiven Potentials liegt subkortikal und ist von den Generatoren der über dem Nacken ableitbaren Potentiale abzugrenzen. Zwischen dem letzten nuchalen Potential und P15 besteht eine Differenz von 1,4 ms, die einerseits nicht zur synaptischen Weiterleitung vom Halsmark bis zum Kortex ausreicht und andererseits für eine Volumenleitung zu lang ist (CRACCO, 1972).

Da P15 bei Patienten mit Läsionen im Bereich des Thalamus unver­ändert ableitbar ist, während es bei Patienten mit Hirnstammläsionen bis in Höhe des Mittelhirns nicht darstellbar ist, wird der Lemniscus medialis als Generator angesehen (MAUGIERE und COURJON, 1981). Ähnliche Beobachtungen machten ANZISKA und CRACCO (1980).

Für die auf der kontralateralen Seite dominierenden Potentiale wird folgender Ursprungsort angegeben: N20 und P22 - 23 entstehen prä­synaptisch im Bereich der thalamo-kortikalen Strahlung. Die Primär­ antwort des somatosensorischen Kortex tritt nach 24 - 37 ms auf. Extralemniskal gelegene Assoziationsfelder generieren eine Antwort nach 40 - 48 ms. Eine diphasische Komponente nach 65 - 75 ms und 80 - 100 ms entspricht der Sekundärantwort des somatosenso­rischen Kortex. Eine weitere diphasische Komponente nach 100 - 135 ms und 170 - 220 ms schließlich wird als sog. Vertex-Potential be­zeichnet (ALLISON, 1962, GOFF et al., 1962). GIBLIN (1964) hält bereits P23 für die erste Antwort des somatosensorischen Kortex, an­sonsten stimmen seine Annahmen mit denen anderer Autoren über­ein.

WILLIAMSON et al. (1970) und TSUMOTO et al. (1973) prüften anhand von Patienten mit unilateralen zerebralen Läsionen im oder oberhalb des Thalamus, ob es tatsächlich zwei Projektionswege gibt, nämlich den lemniskalen für die spezifische thalamo-kortikale Antwort und den extralemniskalen für die an die Assoziationsfelder gebundene Antwort. Bei Stimulation der kranken Seite fanden sie in der Amplitude reduzierte oder fehlende frühe Komponenten, ähnlich ver­ändert waren über beiden Hemisphären die späten Komponenten, während sich bei Stimulation der gesunden Seite über beiden Hemisphären eine normale Potentialantwort darstellte. Deshalb kommen sie übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß die gesamte Potentialantwort von der Integrität des Lemniscus medialis und des primären somatosensorischen Kortex abhängt.

2.1.9. Klinische Anwendung

Mit Hilfe somatosensorisch evozierter Potentiale (SEP) ist es möglich geworden, bestehende Sensibilitätsstörungen zu objektivieren und klinisch inapparente Erkrankungen nachzuweisen. Durch die sog. Etagen­diagnostik ist außerdem die topische Zuordnung von Läsionen innerhalb des sensiblen Systems möglich (JÖRG et al., 1982).

Als Kriterien für pathologische SEP gelten ein völliger SEP-Verlust, absolute Latenzverzögerungen außerhalb der 2,5fachen Standardab­weichung vom Mittelwertes eines Normkollektivs, Latenzdifferenzen zwischen der linken und der rechten Seite außer­halb der 2,5fachen Standardabweichung der Mittelwertdifferenz ei­nes Normkollektivs, Inter­peak-Latenzdifferenzen außerhalb der 2,5fachen Standard­ab­wei­chung vom Mittelwert eines Normkollektivs und eine Amplituden­asymmetrie im Seitenvergleich, die größer als 50 % ist (JÖRG, 1984).

Die klinische Anwendung somatosensorisch evozierter Potentiale ist am bekanntesten im Rahmen der Diagnostik der Multiplen Sklerose (MS). Mit Hilfe der SEP ist es einerseits möglich, klinische Zeichen der Demyelinisierung im Sinne von Sensibilitätsstörungen oder Hirn­stammzeichen zu bestätigen und den Ort der Störung näher zu bestimmen, andererseits aber vor allem klinisch latente Läsionen nachzuweisen (BAKER et al., 1968, NAMEROW, 1970, DORFMANN, 1977, ANZISKA et al., 1978, LEHMANN, 1979, BOTTCHER und TROJABORG, 1982, VOGEL und VOGEL, 1982, ROSSINI et al., 1987). Das bedeutet, daß zwar eine enge Korrelation zwischen klinischen Störungen und SEP-Veränderungen besteht, die elektrophysiologische Untersuchung aber zusätzliche Informationen zur Klinik liefern kann. Der Nachweis klinisch latenter Läsionen ist besonders wichtig für die Frühdiagnose der MS und den Nachweis der Multiplizität der Läsionen (LEHMANN et al., 1978). Eine im Krankheitsverlauf relativ früh auftretende Hirnstammbeteiligung kann am ehesten durch multimodale Ableitung evozierter Potentiale (frühe akustische sowie somatosensorisch evozierte Potentiale des N. medianus und des N. trigeminus) erfaßt werden (COSI et al., 1989).

GESTRING und JANTSCH (1969) sahen in der EEG-Computeranalyse die Möglichkeit einer objektiven Sensibilitäts­prüfung. Dagegen spricht jedoch, daß trotz nachgewiese­ner Sensibilitäts­ausfälle die SEP normal sein könnnen (GIBLIN, 1964). Die Ableitung der SEP ist auch insofern keine objektive Methode zur Sensibilitätsprüfung, als es keine für eine bestimmte Sensibilitäts­störung spezifischen SEP-Veränderungen gibt (BAUST et al., 1974).

Während GIBLIN (1964) in Übereinstimmung mit HALLIDAY und WAKEFIELD (1963) eine gute Korrelation zwischen SEP-Veränderungen und Störungen des Lagesinns bei Patienten mit Läsionen des Rückenmarkes feststellte, fand er bei einigen Patienten mit zerebralen Läsionen eine Diskrepanz zwischen den klinisch fest­stellbaren Ausfallserscheinungen und den SEP-Veränderungen. So wiesen diese Patienten einerseits trotz klinisch nicht feststellbarer Defizite ein verändertes SEP auf, andererseits trotz Verlustes der Tiefensensibilität ein normales SEP. Als Grund dafür gibt GIBLIN (1964) an, daß die Läsionen möglicherweise das primäre somatosen­sorische Feld des Kortex aussparten.

WILLIAMSON et al. (1970) fanden im Gegensatz zu GIBLIN (1964) auch bei Patienten mit unilateralen zerebralen Läsionen im oder oberhalb des Thalamus eine gute Korrelation zwischen Lagesinn­störungen und SEP-Veränderungen. Der Grund für die un­ter­schied­lichen Ergebnisse ist unklar.

Nach HALLIDAY und WAKEFIELD (1963) und WILLIAMSON (1970) besteht sogar eine enge Korrelation zwischen der Schwere der Lagesinnstörung und dem Grad der Veränderung des SEP: Während Patienten mit mäßiger bis starker Lagesinnstörung die stärksten SEP-Veränderungen bis hin zum Potentialverlust aufwiesen, hatten Patienten mit geringen klinischen Ausfällen niemals ausgeprägte SEP-Veränderungen. Trotz dieser guten Übereinstimmung zwischen klini­schem und elektrophysiologischem Befund erlaubt die gewöhnliche neurologische Untersuchung nach WILLIAMSON (1970) eine bessere Beurteilung der Funktionsstörungen. Allerdings ist die Ableitung von SEP seiner Meinung nach von Bedeutung, wenn eine adäquate Kommunikation mit dem Patienten nicht möglich ist (vgl. auch GESTRING und JANTSCH, 1969).

TSUMOTO et al. (1973) machten den Versuch, bei Patienten mit unilateralem Sensibilitätsverlust durch Infarkte im Bereich des Thalamus oder rostral davon einzelne SEP-Komponenten spezifischen Störungen zuzuordnen. Bei Fällen mit Sensibilitätsverlust für alle Qualitäten waren N19, P27 und N33 in der Amplitude reduziert oder fehlten, bei Fällen mit beeinträchtigter Oberflächensensibilität und verändertem Schmerz- und Temperaturempfinden waren N43 und P61 stark in der Amplitude reduziert. Deshalb wird eine Beziehung zwischen N19 und P27 und dem Lage- und Vibrationssinn bzw. zwi­schen N33 und dem wahrscheinlich über die Hinterstränge geleiteten Berührungssinn vermutet.

Auf der Suche nach einer Korrelation zwischen bestimmten Sensibilitätsstörungen und spezifischen SEP-Veränderungen kommen BAUST et al. (1974) zu dem Schluß, daß SEP bei Sensibilitäts­störungen gleich welcher Art in der Regel nicht normal sind und aus der Art der Veränderung nicht auf die Art oder gar die Ursache der Sensibilitätsstörung geschlossen werden darf.

Bei Patienten mit peripherer Neuropathie findet GIBLIN (1964) eine erhöhte Reizschwelle des betreffenden Nerven und eine verminderte Leitungsgeschwindigkeit. Diese Veränderungen treten schon bei ge­ringer Dysfunktion auf, da die Mehrzahl der afferenten schnelleiten­den Fasern geschädigt ist.

Der diagnostische Wert von SEP bei peripheren Nervenschäden liegt im Nachweis der axonalen Kontinuität; denn sensorische Nervenaktionspotentiale sind bei peripheren Nervenschäden auf Grund sehr niedriger Amplituden häufig nicht mehr identifizierbar (DESMEDT, 1971, YIANNIKAS, 1983); zerebrale SEP sind hingegen bei peripheren Nervenschäden auf Grund von Verstärkerprozessen des ZNS noch verzögert ableitbar (EISEN et al., 1982, HIELSCHER, 1986).

Bei Läsionen des Plexus brachialis oder der zervikalen Wurzel ist durch Ableitung der evozierten Potentialantwort am Erb'schen Punkt eine Unterscheidung zwischen prä- und postganglionären Schäden möglich. Es wird jedoch gleichzeitig empfohlen, andere elektro­physiologische Methoden, wie das EMG, und die konventionelle neurolo­gische Untersuchung miteinzubeziehen (YIAN­NIKAS, 1983).

Eine Studie über die Wertigkeit von SEP bei Läsionen des Plexus brachialis bzw. zervikaler Radikulopathie zeigt die begrenzte Aussage­kraft der Methode: Bei Läsionen des Truncus superior und bei Wurzelschädigungen, die sich nur über ein oder zwei Segmente erstreckten, war das Medianus-SEP immer normal. Desweiteren fanden sich normale Potentiale bei zervikaler Spondylose. Waren mehre­re Trunci oder mehrere Wurzeln von der Schädigung betroffen, resul­tierte eine Amplitudenreduktion des Potentials am Erb'schen Punkt, und über dem Halsmark und dem Skalp konnte kein Potential identi­fiziert werden. Außerdem traten Potentialveränderungen bei Plexus­ affektionen mit Schädigung des Truncus medialis im Rahmen systemischer Krebserkrankungen auf. Auf Grund dieser Ergebnisse wird empfohlen, SEP zur Ergänzung der klinisch und elektromyogra­ phisch gewonnenen Information abzuleiten und je nach klinischer und elektromyographischer Lokalisation neben dem N. medianus weitere Nerven in die Untersuchung miteinzubeziehen (SYNEK, 1986).

Untersuchungen an Patienten mit zervikaler Spondylose unterschied­lichen Schweregrades führten zu folgenden Ergebnissen: Patienten ohne neurologische Zeichen, aber mit Symptomen, die auf eine

Wurzelschädigung hindeuten, haben ein normales SEP der Nn. me­dianus, ulnaris und radialis, da hierbei die stark myelinisierten senso­rischen Fasern normal leiten (GANES, 1980, YIANNIKAS et al., 1986). Bei Patienten mit neurologischen Zeichen einer Wurzelkompression fanden beide Autoren ein normales Potential am Erb'schen Punkt, ein amplitudenreduziertes Potential über dem Halsmark und eine verlängerte Leitungszeit zwischen Erb'schem Punkt und Halsmark. Nach YIANNIKAS et al. (1986) ist allerdings die beobachtete Seitendifferenz zwischen gesunder und geschädigter Seite nur bei Betrachtung der gesamten Patientengruppe signifikant, nicht jedoch bei Betrachtung des Einzelfalles. Durch zusätzliche Reizung des N. radialis superficialis wird die Aussagekraft der SEP bei radikulären Schädigungen seiner Ansicht nach verbessert, da die­ser im Gegensatz zum N. medianus nur Afferenzen zu einer Wurzel führt.

Im Vergleich zum EMG ist der diagnostische Wert des SEP für die Gruppe der Patienten mit zervikaler Myelopathie hervorzuheben, ins­besondere unter Berücksichtigung der Stimulation des N. peronaeus, der in seinen Potentialantworten bei dieser Patientengruppe eine ho­he Inzidenz an Veränderungen aufwies (YIANNIKAS et al., 1986). GANES (1980) hingegen hält die Ableitung von SEP auf Grund seiner uneinheitlichen Ergebnisse bei dieser Patientengruppe für unzuver­lässig.

TACKMANN und RADÜ (1983) zeigen anhand ihrer Untersuchungen an Patienten mit Wurzelkompression, wie schwierig es ist, die Höhe der Läsion mit elektrophysiologischen Methoden (EMG, Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und SEP) zu bestimmen. Sie kommen zu dem Ergebnis, daß diese Methoden nur Schlußfolgerungen darüber zulassen, ob die Läsion distal oder proximal der Wurzel lokalisiert ist. Pathologische SEP-Veränderungen wurden nur bei einem geringen Anteil der untersuchten Patienten gefunden.

Auf der anderen Seite zeigen PERLIK et al. (1986) anhand von Patienten mit Wurzelkompression der Segmente L3/L4, L4/L5 und L5/S1, daß eine gute Korrelation zwischen CT- bzw. Myelogramm-Befunden einerseits und SEP-Veränderungen nach Reizung der Nn. saphenus, suralis und peronaeus superficials andererseits besteht. Während für das Vorhandensein anderer elektrodiagnostischer Auffälligkeiten fokale neurologische Symptome ausschlaggebend waren, galt dies nicht für das SEP.

2.2. Spezieller Teil: Stimulation des N. trigeminus

2.2.1. Methoden

Seit noch nicht allzu langer Zeit werden auch Untersuchungen so­matosensorisch evozierter Potentiale des N. trigeminus (TSEP) vor­genommen. Als erster führte SCHMIDT (1970) eine Stimulation des Nerven über elektrische Zahnreizung durch. Silberstifte, die mit spe­ziellen Halterungen am Zahn befestigt waren, dienten als Reizelektroden. Über dem Skalp wurden eine differente Oberflächenelektrode temporal und eine indifferente frontal ange­bracht. Kontralateral traten langsame Hirnrindenpotentiale mit Latenzzeiten um 90 ms auf. Die Potentiale traten erst bei Reizintensitäten auf, die zu einer Schmerzwahrnehmung führen. Desweiteren hatte die Gabe von Analgetika (Pethidin) eine Erhöhung der Intensitätsschwelle zur Schmerzauslösung und eine Reduktion der Amplitude des Rindenpotentials zur Folge. Auf Grund des Zusammenhangs zwischen Reizintensität, Schmerzwahrnehmung und Ausprägung der langsamen Rindenpotentiale sieht SCHMIDT (1970) die Möglichkeit einer objektiven Prüfung der Wirksamkeit von Analgetika.

In einer ähnlichen Studie griffen ROHDEWALD et al. (1980) diese Methode auf und weiteten sie auf die Prüfung der Wirksamkeit schwach wirksamer Analgetika aus. Als Maß der Schmerzdämpfung bestimmten sie die prozentuale Amplitudenreduktion einer Komponente der langsamen Hirnrindenpotentiale. Die statistische Auswertung ergab eine signifikante Überlegenheit der objektiven ge­genüber der subjektiven Messung der Schmerzempfindung.

Auch CHATRIAN et al. (1974 und 1975) leiteten Potentiale als ob­jektive zerebrale Antworten auf experimentell applizierte Schmerzreize ab. Mit Hilfe von Wolframelektroden, die über eine Silberamalgamfüllung Kontakt zum Dentin hatten, wurde die Zahnpulpa gereizt. Die Ableiteelektroden waren an Vertex, Mittelpunkt zwischen Fz und Cz des Ten-twenty-Systems und über der unteren Postzentralregion lokalisiert, die Referenzelektrode befand sich am Inion. Es stellten sich kontralateral zum gereizten Zahn ent­weder vier Potentialspitzen über dem Vertex dar (nach 43, 82, 146 und 248 ms), oder zwei, häufiger jedoch nur einer über der Postzentralregion (nach 82 und 141 ms bzw. nach 136 ms). An devita­lisierten Zähnen und nach Mandibularanästhesie durch Mepivacain waren diese Peaks nicht zu identifizieren.

DRECHSLER et al. (1977, 1980, 1986) reizten den dritten Ast des N. trigeminus durch Silberelektroden am Nervenaustrittspunkt, wobei die Kathode über dem Foramen mentale und die Anode in der Mitte des Kinns lokalisiert waren. Die Skalpelektroden wurden gemäß dem 10-20-System an folgenden Stellen angebracht: F3, F4, C3, C4, O1, O2. Nach leicht überschwelliger, nicht schmerzhafter Reizung durch einen Rechteckimpuls von 0,1 ms Dauer stellte sich bilateral über dem so­matosensorischen Repräsentationsgebiet des N. trigeminus eine spezifische Antwort mit Peaks zwischen 5 und 200 ms dar (N5, P9, N14, P23, N34, P44, N100, P150 und N200). Dieses trigeminus-evo­zierte Potential (TSEP) ist nach DRECHSLER (1980) nicht an eine bestimmte Reizmodalität, wie Schmerzreize, gebunden, sondern Ausdruck einer unspezifischen Antwort kortikaler Neurone.

SALAR et al. (1982) benutzten anstelle von Oberflächenelektroden subkutane Nadelelektroden und reizten ebenfalls am Nervenaus­tritts­punkt.

BENNETT und JANNETTA (1980) bzw. BENNETT, WASTELL et al. (1987) heben die technischen Schwierigkeiten hervor, die sich bei der Stimulation des N. trigeminus in Form von Artefakten ergeben: Wegen der räumlichen Nähe zwischen Reiz- und Ableiteelektroden entsteht ein Reizeinbruch von hoher Amplitude. Außerdem treten bei perku­taner Stimulation Artefakte durch Muskelaktivität auf. Als Stimulations­ort wurde zur Verminderung des Elektrodenübergangs­ wider­standes und wegen des geringeren Einflusses von direkter oder reflektorischer Muskelaktivität das ma­xillläre Zahnfleisch über dem 1. Prämolaren gewählt. Zur Reduktion des Stimulusartefaktes wurde die Polarität der Reizelektrode nach der Hälfte der applizierten Reize umgekehrt.

Das TSEP wurde kontra- und ipsilateral durch eine Elektrode abgelei­tet, die 1 cm hinter dem Mittelpunkt einer Verbindungslinie zwischen Vertex und äußerem Gehörgang lokalisiert war. Die Referenz­elektrode befand sich am Ohrläppchen.

Nach einem Reiz von 0,2 ms Dauer und einer Intensität, die minde­stens dem doppelten Schwellenwert entsprach, erhielten die Unter­sucher eine klar definierte Reizantwort mit Latenzzeiten von 20, 34 und 51 ms und manchmal auch einen früheren positiven Peak zwi­schen 12 und 15 ms. Bei Vergrößerung der Stimulusintensität zeigte sich, daß die Latenzen bis zum vierfachen Schwellenwert auf ein Minimum abnehmen und die Amplituden sich asymptotisch einem Maximalwert nähern. Daher empfehlen BENNETT und JANNETTA (1980) die Anwendung einer Stimulusintensität, die dem drei- bis vierfachen des Schwellenwertes entspricht.

Im Vergleich zur kontralateralen Antwort war die ipsilaterale in der Amplitude reduziert, die Latenzen waren verzögert und die Peaks in ihrer Polarität umgekehrt. Ähnlich wie bei den SEP werden die ipsila­ teralen Antworten auf über den Balken geleitete Aktivität gedeutet, eine Leitung über ungekreuzte trigemino-thalamische Bahnen ist nach BENNETT und JANNETTA (1980) nicht auszuschließen.

Die Variation des Stimulationsortes führte zu einer erheblich verän­derten Potentialform. Dies resultiert vermutlich aus der im Vergleich zu dem ausgedehnten kortikalen Repräsentationsgebiet des Gesichtes relativ geringen Anzahl stimulierter afferenter Fasern.

Ebenso führte eine Positionsveränderung der Ableiteelektroden zu einer Veränderung der Potentialform. Die initiale triphasische Potentialantwort war jedoch nahezu unabhängig von der Elektroden­position und ist so gegenüber leichten Veränderungen un­empfindlich.

Eine weitere Stimulationsmethode besteht in der gleichzeitigen Reizung des 2. und 3. Astes des N. trigeminus an beiden Lippen im Bereich des Mundwinkels (STÖHR und PETRUCH, 1979). Während der ersten 50 ms konnten über dem kontralateralen somatosensori­schen Repräsentationsgebiet des Gesichtes zwei positive und zwei ne­gative Peaks abgeleitet werden.

BUETTNER et al. (1982) griffen auf diese Methode zurück und unter­suchten die Abhängigkeit des TSEP von Stimulusort, -frequenz und -intensität. Die Lippen wurden aufgrund ihrer großen Rezeptordichte als Stimulationsort gewählt. Bei getrennter Stimulation der Ober- und Unterlippe zeigt sich nach Stimulation des 3. Astes eine kürzere Latenzzeit der Hauptwelle P19 als nach Stimulation des 2. Astes.

FINDLER und FEINSOD (1982) hingegen fanden bei annähernd gleichen Latenzzeiten bei getrennter Stimulation der Ober- und Unterlippe lediglich eine Polaritätsumkehr der Peaks und höhere Amplituden bei Stimulation der Oberlippe. Von anderen Untersuchern konnte diese Beobachtung nicht bestätigt werden (TAKAYASU et al., 1987, SEKI, 1987).

SEKI (1987) unterstreicht die Möglichkeit der Unterscheidung von individueller Aktivität des 2. und 3. Astes und der individuellen Funktionsuntersuchung bei getrennter Lippenstimulation. Im Hin­blick auf differenziertere Hinweise auf Funktionsstörungen des 2. und 3. Astes des N. trigeminus weisen auch HIELSCHER et al. (1980) auf die Notwendigkeit getrennter Untersuchungen der beiden Äste hin.

Unter ähnlichen Reiz- und Ableitebedingungen wie STÖHR und PETRUCH (1979) oder DRECHSLER (1980) erzielten auch GODFREY und MITCHELL (1987) vergleichbare Potential­antworten. Wie BENNETT und JANNETTA (1980) heben sie die Problematik von Muskelartefakten, die bevorzugt in der Kiefer- und der Nackenmuskulatur entstehen, sowie von Stimulusartefakten hervor. Entspannung des Patienten, Entfernung der Reizelektrode vom Skalp und Polaritätsumkehr der Reizelektrode nach der Hälfte der applizierten Stimuli werden in Anlehnung an BENNETT und JANNETTA (1980) als Möglichkeit zur Artefaktreduktion aufgeführt.

BARKER et al. (1987) unterstreichen in Anlehnung an die Untersuchungen von BENNETT und JANNETTA (1980) die Vorteile der Zahnfleischreizung gegenüber der Lippenstimulation in Anbe­ tracht der hochamplitudigen Muskelartefakte, die frühe Komponen­ten der Potentialantwort überlagern: Einerseits ist das Zahnfleisch frei von Muskeln, andererseits werden relativ niedrige Stimulus­intensitäten benötigt, um eine subjektive Empfindung auszu­lösen.

Hinsichtlich der Stimulusintensität heben BARKER et al. (1987) her­vor, daß es Probanden gibt, die bei Stimulation mit dem von BENNETT und JANNETTA (1980) empfohlenen vierfachen Wert der sensiblen Reizschwelle bereits Schmerzen empfinden und sich somit nicht mehr vollständig entspannen können.

Auch FAGADE und WASTELL (1990) zeigten, daß eine Stimulus­ntensität, die dem vierfachen der sensiblen Reizschwelle entspricht, weit über der Schmerzschwelle liegt, sind aber der Meinung, daß diese Stimulusintensität ein effektiver Standard für die Erzeugung eines TSEP ist. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung ent­sprechen im übrigen denen von BENNETT und JANNETTA (1980).

Wie BENNETT und JANNETTA (1980) fanden auch BUETTNER et al. (1982) eine Amplitudenvergrößerung mit zunehmender Stimulus­intensität. Die Stimulusintensität wird jedoch dadurch be­grenzt, daß kein Schmerz auftreten sollte, der Reizeinbruch möglichst gering sein sollte und keine motorische Antwort des M. orbicularis oris erzeugt werden sollte. Diese Bedingungen sind nach BUETTNER et al. (1982) bei Reizstärken zwischen dem zwei- bis dreifachen Schwellenwert erfüllt.

Im Gegensatz zu BUETTNER et al. (1982), aber im Einklang mit BENNETT und JANNETTA (1980) fand SCHEUERL (1982) mit zunehmender Stimulusintensität eine Abnahme der Latenzzeiten um 1 - 2 ms. Außerdem ist nach SCHEUERL (1982) die Ausprägung der Potentialgipfel stark von der Reizstärke abhängig.

Die Latenzzeiten werden bei Stimulusfrequenzen zwischen 1 und 20 Hz nicht beeinflußt, sofern es sich um die Peaks bis 30 ms handelt. Damit die Amplituden ihren Maximalwert haben, darf jedoch eine Stimulusfrequenz von 5 Hz nicht überschritten werden (BUETTNER et al., 1982). Eine noch deutlichere Abnahme der Amplituden bei Stimulusfrequenzen zwischen 1,5 und 15 Hz fand SCHEUERL (1982).

FINDLER und FEINSOD (1982) erhielten bei Reizung der Ober- und Unterlippe änhliche Latenzzeiten wie DRECHSLER (1980) bei Reizung am Nervenaustrittspunkt und BENNETT und JANNETTA (1980) bei Reizung am Zahnfleisch. Die Latenzzeiten nahmen jedoch in den Untersuchungen von FINDLER und FEINSOD (1982) bei hö­heren Stimulusintensitäten nicht ab, und es traten ipsilateral keine Latenzverzögerungen gegenüber kontralateral auf.

Es besteht keine Abhängigkeit der Latenzzeiten vom Alter (BENNETT und JANNETTA, 1980, FINDLER und FEINSOD, 1982, SCHEUERL, 1982, BARKER et al., 1987). FINDLER und FEINSOD (1982) fanden jedoch höhere Amplituden bei jüngeren Probanden. Die Beobachtung kürzerer Latenzzeiten bei Frauen (BENNETT und JANNETTA, 1980, BARKER et al., 1987) konnten FINDLER und FEINSOD (1982) nicht bestätigen.

Nach perkutaner Stimulation des 2. Astes des N. trigeminus an einem Punkt, der in der Mitte einer Verbindungslinie zwischen Mundwinkel und Processus coronoideus gelegen ist, fanden BADR et al. (1983), verglichen mit den Ergebnissen früherer Untersuchungen, abwei­chende Latenzzeiten und Polaritäten (P20, N30, P40 und N50). Diese Unterschiede beruhen auf den verschiedenen Positionen von Reiz- und Ableiteelektrode. Somit bestätigten BADR et al. (1983) die schon von BENNETT und JANNETTA (1980) beschriebene Abhängigkeit der Potentialausprägung von Stimulations- und Ableiteort. Am besten stellt sich das Potential nach BADR et al. (1983) bei Ableitung an einem Punkt dar, der 2 cm hinter und 1 cm unter dem Mittelpunkt einer Linie zwischen Tragus und dem Mittelpunkt zwischen Nasion und Inion liegt.

Desweiteren wird auch in dieser Untersuchung die Wichtigkeit betont, die Stimulusintensität so niedrig zu halten, daß keine Muskelaktivität der Mm. orbicularis oris und oculi das TSEP beeinflußt.

Der initiale Reizartefakt und hochamplitudige Muskelartefakte stel­len bei allen Methoden der Stimulation des N. trigeminus das größte Problem dar (BUDDENBERG, 1987, SEKI, 1987). Vor allem die frühen Komponenten, die für eine Erweiterung der klinisch-neuro­physio­logischen Hirnstammdiagnostik von Bedeutung sind, werden überla­gert.

BUDDENBERG (1987) führte zur Erfassung früher Komponenten die Stimulation des 2. Astes des N. trigeminus über die Nasenschleimhaut mit Oberflächenelektroden ein und leitete über C5 bzw. C6 zwei ne­gative und zwei positive Gipfel innerhalb der ersten 50 ms ab. Konstant ableitbar waren N13 und P19, während N7 und P10 nur in­konstant nachzuweisen waren.

Neben der elektrischen Stimulation des N. trigeminus wurden zur Reduktion von Stimulus- und Muskelartefakten andere Stimulations­methoden eingesetzt. So führten LARSSON und PREVEC (1970) als erste, später ISHIKO et al. (1980) eine mechani­sche Stimulation mit einem elektromechanischen Hammer durch. Es resultieren Potential­antworten mit höheren Amplituden als bei elek­trischer Stimulation. Keine Übereinstimmung besteht zwischen der Morphologie, der Polarität und der Topographie der Potentialantwort über dem Skalp. SEYAL und BROWN (1989) benutzen im Gegensatz zu den Vor­untersuchern eine non-zephale Referenzelektrode. Ihrer Meinung nach beruhen die festgestellten Unterschiede in der Polarität zum Teil auf der falschen Annahme, daß zephale Referenzelektroden elektrisch inaktiv seien. Weitere Gründe für die unterschiedliche Morphologie der Potentialantwort seien die Variationen der Stimulusdauer und -intensität sowie der Zuwachszeit des Stimulus. Während LARSSON und PREVEC (1970) die Potentialantwort ipsi- und kontralateral zum Stimulationsort in glei­cher Weise ableiten, unterscheiden SEYAL und BROWN (1989) zwei Komplexe: Einen mit weitgestreuter Verteilung über dem Skalp (Nf17) und einen mit umschriebener Lokalisation in der kontralateral zum Stimulationsort gelegenen Zentro-Parietal-Region (Np25).

Eine mechanische Stimulation mittels Luftstrahl stellen SCHIEPATTI und DUCATI (1984) sowie HASHIMOTO (1988) vor. Übereinstimmend kommen sie zu dem Ergebnis, daß wie bei Stimulation mit elektromechanischem Hammer Stimulus- und Muskelartefakte vermieden werden. Andererseits sind die abgeleite­ten Potentialantworten mit denen nach elektrischer Stimulation ver­gleichbar. Die beobachteten Latenzzeitdifferenzen werden in beiden Untersuchungen auf Verzögerungen beim Auftreffen des Luftstrahles auf die Haut, durch die Weiterleitung des Reizes über kutane Rezeptoren und eine langsamere Leitungsgeschwindigkeit kutaner afferenter Fasern nach mechanischer Stimulation zurückgeführt. Die im Vergleich zur elektrischen Stimulation höheren Amplituden hän­ gen mit der Reduktion von Muskel- und Stimulusartefakten zusam­men.

Nach HASHIMOTO (1988) ist auch bei mechanischer Luftstrahl-Stimulation das Verhältnis zwischen Stimulusintensität und Amplitude direkt proportional, das zwischen Stimulusintensität und Latenzzeit umgekehrt proportional, wobei auch die Latenzzeiten zwi­schen einzelnen TSEP-Komponenten nicht konstant bleiben. Das be­deutet, daß bei abnehmender Stimulusintensität die Latenzzeiten kortikaler Potentialkomponenten stärker verzögert sind als die peri­pherer Potentialkomponenten. Diese Tatsache wird darauf zurückge­führt, daß die Latenzzeit der kortikalen Potentialkomponenten nicht nur von der Spitzenintensität des Stimulus selbst abhängt, sondern auch von der Zuwachszeit bis zur Spitzenintensität.

2.2.2. Frühe Latenzen und ihre Generatoren

Als erste erhielten DRECHSLER et al. (1977) frühe Gipfel nach je­weils 5 und 9 ms (N5 und P9). Beide treten vor den Antworten auf, die analog zu den Extremitäten-SEP in den primären (N14) und sekundä­ ren (N34 - P150) spezifischen kortikalen Gebieten entstehen. Der Generator von N5 liegt nach DRECHSLER et al. (1977, 1980 und 1986) im Ganglion Gasseri. Als Hinweis hierfür dienten Überlegungen zur Leitgeschwindigkeit, die Beobachtung, daß N5 und P9 nach Thermokoagulation des Ganglions nicht mehr ableitbar sind und in­traoperative Ableitungen vom Ganglion.

FINDLER und FEINSOD (1982) erhielten nach Unterlippen­stimulation ähnliche Latenzzeiten wie DRECHSLER (1977, 1980 und 1986) nach perkutaner Stimulation am Nervenaustrittspunkt und bestätigten auch die Annahmen über die Generatoren.

SINGH et al. (1982) brachten einen frühen, hochamplitudigen Peak nach etwa 3,2 ms bei Stimulation des Nervenstammes des N. mentalis am Foramen mandibulare zur Darstellung. Aufgrund der höheren Stimulusintensität und der abweichenden Verstärkerfrequenz ist die Amplitude höher und die Latenz kürzer als in DRECHSLERS Untersuchungen. In Übereinstimmung mit jenem geben SINGH et al. (1982) für den frühen Gipfel tiefe Strukturen des Hirnstammes, das Ganglion Gasseri und den peripheren Nerven als mögliche Generatoren an.

Auch BUDDENBERG (1987) leitete frühe Antworten ab, deren Latenzzeiten mit denjenigen von DRECHSLER et al. (1977) und SINGH (1982) vergleichbar sind. Aufgrund von Überlegungen zur Leitgeschwindigkeit zieht er als Generatoren ebenfalls das Ganglion Gasseri und die Kernregion in Betracht. Er betont jedoch, daß sich die frühen Antworten nur inkonstant darstellen.

BADR et al. (1983) vermuten, daß reflektorische Muskelaktivität die frühe Antwort verursacht. Durch gleichzeitige elektromyographische Aufzeichnung nach Stimulation der Oberlippe wiesen LEANDRI et al. (1985) und SEKI (1987) myogene Aktivität nach, die zu praktisch identischen Latenzzeiten auftritt wie die frühe Potentialantwort. In einer Folgestudie verdeutlichen LEANDRI et al. (1987) nochmals, daß bei der Stimulation mit Oberflächenelektroden an Lippen und Zahnfleisch frühe Potentialkomponenten wegen der nur geringen Anzahl gereizter sensorischer Fasern nicht darstellbar sind. Die tat­sächliche frühe Antwort wurde also nach LEANDRI et al. (1985 und 1987) in den bisher zitierten Untersuchungen zu diesem Problem durch Muskelaktivität überlagert.

DRECHSLER und NEUHAUSER (1986) fanden jedoch bei gleich­zeitiger elektromyographischer Aufzeichnung keine Muskelaktivität der Mm. orbicularis oris und masseter. Außerdem benutzten sie zur Vermeidung von Artefakten sehr niedrige Stimulusintensitäten, die nur leicht oberhalb des Schwellenwertes lagen und hielten den Elektrodenübergangswiderstand unter 2 kW.

Auch SINGH et al.(1982) schließen aus, daß es sich bei der frühen Antwort um Muskelartefakte handelt, da der Masseterreflex eine mehr als doppelt so lange Latenzzeit hat.

Ein Vergleich der über dem Skalp abgeleiteten Potentiale mit direkt vom Ganglion Gasseri abgeleiteten zeigt nach DRECHSLER eine un­gefähre Übereinstimmung in Wellenform und Latenz. RIDDERHEIM et al. (1985) hingegen leiteten intraoperativ nach Stimulation des N. mentalis am Ganglion kürzere Latenzen (2,5 - 3 ms) ab.

Auch SOLOYOM et al. (1987) leiteten mit Hilfe von implantierten tiefen Elektroden Potentiale nach Stimulation des N. infraorbitalis ab. Wie DRECHSLER sind sie der Meinung, daß der erste negative Peak N5 im Ganglion Gasseri generiert wird.

LEANDRI et al. (1987) leiteten nach Stimulation des 2. Astes des N. trigeminus mit Nadelelektroden, deren Spitze bis ins Foramen infraorbitale reichte, an wachen und narkotisierten Probanden Peaks mit früheren Latenzzeiten und niedrigeren Amplituden als oben genannte Untersucher ab; nämlich P4, N5, P6 und N7. Die Ableitung dieser Peaks war mit einer außerhalb des Skalps gelegenen Referenzelektrode (7. Halswirbel), nicht aber mit einer am Vertex gelegenen Referenzelektrode möglich. Die frühe Latenz und die weit gestreute Verteilung über dem Skalp lassen subkortikale Generatoren vermuten. Mit Doppelreizuntersuchungen wurde der postsynaptische Ursprung belegt (Erholung bei einem Interstimulusintervall ³ 5 ms). Als Generatoren kommen nach LEANDRI (1987) die Kerngebiete des N. trigeminus, der Lemniscus trigeminalis, der Thalamus und die thalamo-kortikale Strahlung in Frage.

Bei Ableitung über den somatosensorischen Feldern mit Verschaltung gegen den Vertex fanden LEANDRI et al. (1987) einen weiteren Gipfel mit einer Latenzzeit von etwa 10 ms (N10), der auf das kon­tralateral zum Stimulus gelegene Projektionsfeld des Gesichtes be­grenzt war. Dieser Gipfel war bei narkotisierten Probanden noch zu­verlässiger ableitbar. Er wird als erste Antwort des primären somato­sensorischen Kortex gedeutet und somit als Äquivalent von N20 bei Medianusreizung.

Später auftretende langsame Wellen werden auf Grund ihrer Latenz, ihrer Dauer, ihrer hohen Amplitude und ihrer interindividuellen Variabilität als Muskelaktivität gedeutet und überlagerten, wie sich bei Ableitung an narkotisierten Probanden zeigte, die tatsächlichen späten Latenzen (LEANDRI et al., 1987).

Ähnlich wie LEANDRI (1987) brachten SOUSTIEL und FEINSOD (1991) in einer Untersuchung an gesunden Probanden und an Patienten mit Schädigung des N. trigeminus in dessen peripherem Abschnitt oder auf Ebene des Hirnstammes nach Stimulation der Oberlippe durch Ableitung über dem Skalp fünf Peaks innerhalb der ersten 12 ms zur Darstellung.

Sogar in einem Latenzbereich zwischen 1 und 4 ms können Antwort­potentiale abgeleitet werden. So leiteten HUANG und FEELY (1982) an muskelrelaxierten Katzen nach Stimulation des freigelegten N. infraorbitalis eine diphasische frühe Komponente mit Latenzzeiten von 0,55 und 1 ms und zwei weitere Komponenten mit Latenzzeiten von 1,43 und 2,16 ms ab. Nach verschiedenen Untersuchungen werden diesen Potentialen jeweils primäre afferente Fasern des N. trigeminus, der Nucleus sensorius principalis und der Nucleus spinalis des N. trigeminus als Generatoren zugeordnet.

Vergleichbar mit den Ergebnissen von LEANDRI et al. (1985) und DRECHSLER und NEUHAUSER (1986) ist jedoch lediglich die erste Komponente. Die übrigen Komponenten sind postsynaptischer Herkunft (LEANDRI et al., 1985).

Nach Stimulation des N. maxillaris mit im Foramen infraorbitale an­gebrachten Nadelelektroden leiteten LEANDRI et al. (1985) drei Potentiale (W1, W2, W3) mit Latenzzeiten von jeweils 0,9, 1,9 und 2,5 ms ab. Der erste Peak war triphasisch und die angegebene Latenz ent­spricht der positiven hochamplitudigen Hauptwelle, die anderen bei­den Peaks waren kleine Wellen negativer Polarität. Aufgrund ver­schiedener Ableitungen erscheint W1 als Wanderwelle mit einem Dipol, der sich zwischen ipsilateraler Jochbein-Mastoid-Linie und in einiger Entfernung positionierten Skalpelektroden und kontralatera­ler Jochbein-Mastoid-Linie erstreckt. Dieser Dipol entspricht nach LEANDRI et al. (1985) dem distalen intrakraniellen Anteil des N. tri­geminus (z.B. terminaler Abschnitt des N. maxillaris, Ganglion Gasseri oder distalster Abschnitt der Trigeminus-Wurzel).

W2 und W3 waren an allen Ableiteorten über dem Skalp mit etwa glei­cher Amplitude, Latenz und Polarität repräsentiert und stellten sich bei bipolarer Ableitung nur dann dar, wenn die beiden Ableite­elektroden nicht zu nah beieinander lagen. Auf Grund dieser Charak­teristik und wegen einer Erholungszeit £ 1 ms bei Doppel­reizen werden diesen Potentialen subkortikale präsynaptische Generatoren im Bereich des Hirnstammes zugeordnet.

Der Stimulusartefakt, der in den Untersuchungen an Katzen durch die höhere Stimulusintensität und die längere Stimulusdauer hervorgeru­fen wird, verhinderte die Ableitung der präsynaptischen Kompo­ nenten W2 und W3 (LEANDRI et al., 1985).

BENNETT, WASTELL et al. (1987) halten die Komponenten W1 bis W3 allerdings für myogene Aktivität.

DRECHSLER und NEUHAUSER (1986) fanden nach Stimulation des N. mentalis am Nervenaustrittspunkt mit Oberflächenelektroden und bipolarer Ableitung praktisch identische Latenzen wie LEANDRI et al. (1985). Bei einer angenommenen Leitgeschwindigkeit der affe­renten Fasern von 50 m/s liegt der Generator dieser Potentiale in den peripheren Anteilen des N. mentalis.

Auch LANDI et al. (1991) leiteten an Patienten, die sich wegen einer Trigeminusneuralgie einer Mikrokompression des Ganglion Gasseri unterzogen, intraoperativ nach Stimulation des N. infraorbitalis an dessen Nervenaustrittspunkt durch subkutane Elektroden über dem Skalp die Peaks W1, W2 und W3, P4, N5 und P6 sowie N10 ab. Wie in der Untersuchung von LEANDRI et al. (1985) werden den Peaks W1 bis W3 die vor und nach dem Ganglion Gasseri angrenzenden Abschnitte des N. trigeminus als Generator zugeordnet, den Peaks P4, N5 und P6 der Hirnstamm und dem Peak N10 der somatosensorische Kortex.

2.2.3. Stimulation des N. supraorbitalis

Wegen des starken elektrischen Reizeinbruches bei Stimulation des N. supraorbitalis wird bisher die elektrophysiologische Erfassung des N. trigeminus durch den elektrisch ausgelösten Blinkreflex vervoll­ständigt (HIELSCHER, 1984).

FINDLER und FEINSOD (1982) beobachteten bei Stimulation der vom N. ophthalmicus versorgten Haut starke Muskelartefakte und durch den Blinkreflex hervorgerufene Aktivität. Außerdem war die Stimulation mit Schmerzen verbunden.

Ohne auf die technischen Probleme gesondert einzugehen, stimulier­ten jedoch vereinzelt Untersucher den 1. Ast des N. trigeminus mit der gleichen Methode wie den 2. und 3. Ast. So benutzten SALAR et al. (1982) in der Nähe der Nervenendigungen plazierte subkutane Nadelelektroden, und RIDDERHEIM et al. (1985) stimulierten mit am Nervenaustrittspunkt angebrachten Hautelektroden.

Eine systematische Untersuchung zerebral evozierter Potentiale nach Stimulation des N. supraorbitalis ist jedoch in der vorliegenden Literatur nicht zu finden. In einer Untersuchung von SCHIEPPATTI und DUCATI (1984) wird lediglich eine Methode vorgestellt, bei der neben den anderen Ästen des N. trigeminus auch der 1. Ast mit Hilfe eines Luftstrahles in seinem Innervationsgebiet gereizt wird. Auch bei dieser Methode überlagerte der Blinkreflex die eigentlichen Potentiale, zumindest wenn das Ohrläppchen als Referenzort gewählt wurde. Bei frontopolar angebrachter Referenzelektrode war zwar auch Aktivität des M. orbicularis oculi nachweisbar, es hoben sich aber je ein positiver und ein negativer Peak mit Latenzzeiten von 16,8 und 20,4 ms hervor.

Desweiteren untersuchten THIELEN und MORTILLARO (1985) die periphersten Anteile des N. supraorbitalis durch Stimulation an der Incisura supraorbitalis mit Hilfe von Nadelelektroden und Ableitung des antidromen Nervenpotentials an der Stirn.

2.2.4. Möglichkeiten klinischer Anwendung

Nach BUDDENBERG (1987) liegt die klinische Bedeutung der TSEP in der Etagendiagnostik bei Erkrankungen, die das sensible Reizleitungs­system in Halsmark und Hirnstamm betreffen, und der Herdsuche bei Verdacht auf Multiple Sklerose sowie in der Diagnostik von Schmerzzuständen im Gesicht.

So läßt sich nach BUETTNER et al. (1982) und KOUNTOURIS et al. (1984) mit Hilfe des TSEP die Ausdehnung ischämischer Läsionen abschätzen. Erstere zeigten an Patienten mit Wallenberg-Syndrom TSEP-Veränderungen, die von Latenzverzögerungen oder Amplitu­den­reduktionen bis zum völligen Potentialverlust reichen, wenn auch der Nucleus sensorius principalis n. trigemini von der Ischämie betroffen ist.

KOUNTOURIS et al. (1984) sind sogar der Meinung, daß die Ableitung von Blinkreflex und TSEP in der Diagnostik ischämischer Läsionen des Hirnstammes dem Computertomogramm (CT) überle­gen ist. Die Hälfte der Patienten wiesen bei normalem CT pathologi­sche Befunde in den elektrophysiologischen Untersuchungen auf. Desweiteren wird der Nutzen der Ableitung von Blinkreflex und TSEP für Verlaufskontrollen hervorgehoben. Hierbei bestand eine Parallelität zwischen klinischer Besserung und Rückbildung der pathologischen Befunde im TSEP.

Auch SCHEUERL (1982) belegte anhand von Patientenbeispielen den Wert der TSEP im Rahmen einer Lokalisationsdiagnostik. Die TSEP-Veränderungen von Patienten mit Hirnstamminfarkten und vertebro-basilärer Insuffizienz zeigen außerdem, daß keine Korre­lation zwischen elektrophysiologischem Befund und Schwere­grad der Schädigung des morphologischen Substrats besteht.

Im Rahmen der Diagnostik der Multiplen Sklerose liegt die Bedeutung der TSEP im Nachweis subklinischer multifokaler Herde. In Untersuchungen von BUETTNER et al. (1982) hatten 60 % der Patienten mit gesicherter MS pathologische Verzögerungen im TSEP. 60 % von diesen wiederum hatten keine Sensibilitätsausfälle im Gesicht. SCHEUERL (1982) kam auf einen höheren Anteil pathologi­ scher Befunde, da mehr Gipfel als nur P19 ausgewertet wurden.

Die bei weitem größte Gruppe klinischer Studien zur Anwendung von TSEP betrifft Patienten mit Trigeminus-Neuralgie (BENNETT, WASTELL et al., 1987).

DRECHSLER et al. (1977) untersuchten als erste die Ausprägung des TSEP bei Patienten mit Trigeminus-Neuralgie vor und nach der Thermokoagulation im Ganglion Gasseri. Sie fanden Latenzverlängerungen der Gipfel N5, P9 und N13 bei Stimulation der erkrankten Seite und eine Amplitudenreduktion aller Gipfel auch bei Stimulation der gesunden Seite. P23 bis P145 waren normal. Nach Thermokoagulation im Ganglion stellten sich die Gipfel N5 und P9 nicht dar, alle anderen hatten sich sowohl hinsichtlich der Latenz als auch hinsichtlich der Amplitude wieder normalisiert. In einer weite­ren Untersuchung DRECHSLERS und NEUHAUSERS (1986) stell­ten sich jedoch präoperativ die späten langsamen Wellen gar nicht dar. Diese waren nach Thermokoagulation besser darstellbar, außer­dem erschien auch N5 im Gegensatz zur obigen Untersuchung wieder mit normaler Latenz.

In einer ähnlichen Untersuchung zeigten SALAR et al. (1982) an Patienten mit Trigeminus-Neuralgie die enge Korrelation zwischen den Ergebnissen klinischer Sensibilitätsprüfung und dem TSEP bei Beobachtung der Latenzen P20, N30 und P50. Alle Patienten mit kli­nisch normaler Oberflächen- und Schmerzsensibilität wiesen auch normale TSEP auf. Bestand nach Thermokoagulation eine Hypo- oder Analgesie bei erhaltener Oberflächensensibilität, waren die TSEP normal ausgeprägt. Bestand zusätzlich eine Veränderung der Oberflächen­sensibilität mit Hypästhesie, traten Latenzverlän­gerungen und Amplitudenreduktionen auf.

Ebenso fanden HIELSCHER et al. (1980 und 1982) Latenz­verlängerungen nach Thermokoagulation im Ganglion Gasseri. Im Gegensatz zu SALAR et al. (1982) ist in diesen Studien eine Entsprechung zur Klinik nicht in allen Fällen gegeben. Als Ergebnis von klinischer Beobachtung und TSEP-Ableitungen einen Tag und 12 Monate nach der Thermokoagulation wird festgehalten, daß die Rezidivgefahr bei ausgeprägter Latenzverzögerung und deutlicher Amplitudenreduktion oder völligem Fehlen der Potentiale unmittel­bar postoperativ geringer erscheint.

LANDI et al. (1991) beobachteten bei Mikrokompression des Ganglion Gasseri eine Amplitudenreduktion der Peaks W2 und W3, P4, N5, P6 und N10 sowie der späten Peaks, während W2 aufgrund seiner Generierung vor dem Ganglion unverändert blieb. Trat nach Mikro­ kompression keine Amplitudenredukion auf, wurde eine größere Rezidivgefahr beobachtet.

FINDLER und FEINSOD (1982) leiteten TSEP bei Patienten mit Anästhesia dolorosa, die nach der Behandlung einer Trigeminus-Neuralgie durch Alkoholinjektion, Thermokoagulation oder chirurgi­ sche Eingriffe aufgetreten war, ab. Sie fanden erhöhte Amplituden und verfrühte Latenzzeiten bei den späten Antworten, während die frühen Potentiale unverändert waren. Da die späten Antworten als Ausdruck subkortikaler und kortikaler Aktivität gedeutet werden, wird vermutet, daß bei der Anästhesia dolorosa Zentren dieser Gebiete in veränderter Weise regulierend auf die Kerngebiete des N. trigeminus im Hirnstamm wirken.

SINGH et al. (1982) halten die Ableitung von TSEP hinsichtlich einer objektiven Dokumentation von Schmerzen und Parästhesien im Bereich des Gesichtes für sinnvoll, obwohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen widersprüchlich sind. So stimmt die Potentialantwort von Patienten mit Trigeminus-Neuralgie, atypischem Gesichts­schmerz, Hemispasmus und Myokymie mit der Antwort ge­sunder Versuchspersonen überein. Bei zwei Patienten mit einseitiger Anästhesie des Gesichtes und Verlust des Kornealreflexes bei Akustikusneurinom fehlten entsprechend der Klinik die frühen und späten Potentialantworten. Bei einem Patienten mit Facialisparese, klinisch nicht verifizierbarer Parästhesie und intaktem Kornealreflex stellte sich der Peak N5 wider Erwarten verzögert dar.

Vergleichbar mit den Patienten mit Akustikusneurinom sind Patienten in einer Untersuchung von BUETTNER et al. (1982), bei denen eine Kompression des N. trigeminus durch Tumoren im Bereich des Kleinhirn-Brückenwinkels vorliegt. Auch diese weisen im TSEP Latenzverzögerungen und Amplitudenreduktionen auf.

Bei der präoperativen Ableitung von TSEP von Patienten mit einem Neurinom des N. trigeminus gelangten verschiedene Untersucher zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während TAKAYASU et al. (1987) bei klinisch nur milden Funktionsstörungen eine Erhöhung der sensi­blen Reizschwelle und Latenzzeitverzögerungen fanden, zeigten die präoperativen TSEP bei YONAS und JANNETTA (1980) und FINDLER et al. (1982) keine pathologischen Veränderungen.

BADR et al. (1982) schildern einen Fall mit paradox erscheinenden Befunden: Ein Patient mit rechtsseitiger Trigeminus-Neuralgie als Folge einer Infektion mit Herpes simplex zeigte nach rechtsseitiger Stimulation ein normales TSEP und nach linksseitiger ein pathologi­sches. Einige Monate nach der Untersuchung exazerbierte eine links­seitige Trigeminus-Neuralgie.

Daß Druck auf die Wurzel des N. trigeminus zu Latenzverzögerungen und Amplitudenreduktionen führen müßte, sagten BENNETT und JANNETTA bereits 1980 voraus und bestätigten diese Vermutung in späteren Untersuchungen an Patienten mit Trigeminus-Neuralgie.

BUETTNER et al. (1982) beobachteten bei Patienten mit idiopathi­scher Trigeminus-Neuralgie eine signifikante Seitendifferenz des Peaks P19. Als mögliche Ursache für die Latenzverzögerung wird die Kompression der Trigeminuswurzel durch abnormale Gefäße oder okkulte Tumoren angegeben.

Mit Hilfe der Theorie der Kompression der Trigeminuswurzel durch ein aberrierendes Gefäß erklären auch FINDLER und FEINSOD (1982) die Latenzverzögerungen und Amplitudenminderungen im TSEP eines Patienten mit Trigeminus-Neuralgie im Rahmen eines Hydrocephalus. Wegen des erhöhten intrakraniellen Druck kommt es zur lokalen Kompression und Irritation der Nervenwurzel durch das aberrierende Gefäß.

Auch traumatische oder operativ bedingte Läsionen des N. trigeminus gehören zu den Anwendungsbereichen für TSEP. Amplituden­reduk­tionen, Latenzzeitverzögerungen oder Verlust der Potentialantwort im TSEP zeigen derartige Läsionen an (BARKER et al., 1987, BENNETT, WASTELL et al., 1987). Dabei sind Latenzzeitverzö­gerun­gen ein Hinweis für einen minimalen neurona­ len Schaden im Sinne eines Myelinverlustes, während Amplitudenreduktionen erst bei einem Faserverlust oder bei einer Durchtrennung von Fasern auftreten (BARKER et al., 1987, JÖRG et al. 1982).

FAGADE und WASTELL (1990) gehen einen Schritt weiter und leiten aus der Art der TSEP-Veränderung die Prognose ab: Liegen lediglich Latenzzeitverzögerungen vor, ist die Prognose gut, ist keine Potentialkurve mehr identifizierbar, ist die Prognose schlecht.

Eine Methode zur Feststellung des Ausmaßes von traumatisch oder operativ bedingten Nervenläsionen stellen KRINNER et al. (1989) vor: Durch die Gabe von Lokalanästhetika ist eine Verfeinerung der Potentialmessung und eine Quantifizierung des Nervenschadens mög­lich. Erst nach Gabe von Lokalanästhetika kommt es durch Beeinflussung schnell leitender Fasern bei operativ bedingten Neurapraxien und leichten Traumata wie beim gesunden Nerven zu Amplitudenreduktionen und zu Latenzzeitverzögerungen. Bei ausge­prägten Nervenläsionen bzw. fast vollständiger Neurotmesis kommt es zu signifikanten Latenzzeitverlängerungen mit Amplitudenmin­derun­gen. Nach Gabe von Lokalanästhetika bleiben die Latenzen bei gleich­zeitiger Abnahme der Amplitudenhöhe kon­stant. Am durch­trennten Nerven lassen sich keine Potentiale registrie­ren, oberhalb der Schmerzempfindungsschwelle kommt es jedoch durch Volumen­leitung des Gewebes zur verstärkten Ausbildung der Trigeminus­potentiale.

Was die Anwendung der TSEP im Rahmen von Schmerzzuständen und Sensibilitätsstörungen des Gesichtes betrifft, kann man also zusam­menfassend feststellen, daß die Ergebnisse und Schlußfolgerungen unterschiedlicher Untersucher divergieren.


3. Untersuchungsgut und Methode

3.1. Normalpersonen und Patienten

Als Normalpersonen wurden Probanden herangezogen, bei denen keine Erkrankung des Nervensystems bekannt war.

Zur Erstellung der Normwerte bei Stimulation des N. supraorbitalis standen 32 Probanden im Alter zwischen 21 und 80 Jahren zur Verfügung. Der Median liegt bei 38 Jahren. 20 Probanden waren weiblichen und 12 männlichen Geschlechts.

Für einen Vergleich der Potentialantwort des N. supraorbitalis mit der des N. infraorbitalis und des N. mentalis wurden auch für diese Trigeminusäste methodenspezifische Normwerte erstellt.

Zur Erstellung der Normwerte bei Stimulation des N. infraorbitalis wurden insgesamt 21 Personen im Alter zwischen 22 und 65 Jahren untersucht. Der Median liegt bei 44 Jahren. 14 Probanden waren weiblichen und 7 männlichen Geschlechts. Bei 16 von diesen waren auch Potentiale des 1. Ast des N. trigeminus abgeleitet worden. 8 von ihnen waren weiblich und 6 männlich.

Für die Normwerte bei Stimulation des N. mentalis wurden die Potentiale von insgesamt 25 Versuchspersonen im Alter zwischen 21 und 65 Jahren abgeleitet. Der Median dieser Gruppe liegt bei 38 Jahren. 15 Personen waren weiblichen und 11 männlichen Geschlechts. Bei 16 von diesen liegen auch Ableitungen der Potentiale des 1. Astes vor. 7 von ihnen waren weiblich und 7 männlich.

Das un­tersuchte Patientenkollektiv setzte sich aus 38 Patienten mit folgen­den Krankheitsbildern zusammen:

23 Patienten mit vaskulären Prozessen wie Enzephalo- (6) oder Hirnstammalazien (6), lokalen (8) oder diffusen (2) Durchblutungs­störungen oder intrazerebralen Blutungen (1).

10 Patienten mit entzündlichen Prozessen wie Multipler Sklerose (4), Retrobulbärneuritis (1), Herpes Zoster-Infektionen (2), Polyneuritis cranialis (2) oder M. Behçet (1).

3 Patienten mit raumfordernden Prozessen im Rahmen einer Neuro­fibro­matose v. Recklinghausen (1) oder einer tumorösen Raum­forderung im Bereich des Hirnstamms (2).

1 Patient mit einer idiopathischen Trigeminus-Neuralgie.

Schließlich ein Patient mit einem unteren Hirnnerven-Syndrom im Rahmen einer Albers-Schönberg-Krankheit.

3.2. Allgemeine Untersuchungsbedingungen

Die Untersuchungen wurden in einem ruhigen Raum durchgeführt. Nachdem die Normalpersonen und Patienten über die Untersuchung und ihre einzelnen Schritte aufgeklärt waren, wurden sie aufgefordert, auf einem ca. 45° nach hinten geneigten Untersuchungsstuhl eine für sie bequeme Haltung einzunehmen und die Augen zu schließen. Um Muskelartefakte zu vermeiden, wurden die Probanden gebeten, sich nicht zu bewegen und möglichst nicht zu schlucken. Zur weiteren Förderung der Entspannung, insbesondere der Kaumuskulatur, soll­ten die Probanden den Mund leicht öffnen.

3.3. Reizmethodik

Unter der Vorstellung, daß sich bei konzentrischer Anordnung von Kathode und Anode die Ausbreitung des sich entwickelnden elektri­schen Feldes, welches für den Reizeinbruch verantwortlich ist, begrenzen läßt, wurde zur Stimulation des N. supraorbitalis eine besondere Oberflächenelektrode entwickelt (Abb. 1).

Die Elektrode besteht aus einer ringförmigen, silberchlorierten Napfelektrode mit einem Durchmesser von 10 mm und einer in deren Mitte liegenden Knopfelektrode von etwa 1 mm Durchmesser, die in der Höhe mit dem Rand der Napfelektrode abschließt. Zwischen beiden Elektroden ist ein Isolierungsmaterial eingebracht.

Abb. 1: Schematische Darstellung der konzentrischen Reizelektroden.

Zur Stimulation des N. infraorbitalis und des N. mentalis wurden filzbezogene Oberflächenelektroden verwendet, bei denen der Abstand zwischen Kathode und Anode 2,3 cm betrug.

Nachdem die Haut zur Verminderung des elektrischen Hautwiderstandes mit Aceton gereinigt worden war, wurde die Reizelektrode jeweils in der Nähe des Nervenaustrittspunktes mit leichtem Druck festgehalten. Die Stimulation des N. supraorbitalis erfolgte im Bereich der Incisura frontalis, die des N. infraorbitalis am Foramen infraorbitale und die des N. mentalis am Foramen mentale.

Zur Stimulation aller drei Nervenäste wurde ein durch einen Reizgeber der Firma SCHWARZER erzeugter Rechteckimpuls von 0,1 ms Dauer mit einer Frequenz von 3 Hz appliziert.

Die Reizintensität richtete sich nach der individuell unterschiedlichen sensiblen Reizschwelle. Diese entsprach der Reizstärke, bei der die Probanden ein leichtes Kribbelgefühl im Hautbereich unter den Elektroden empfanden. Der Schwellenwert wurde ausgehend von unterhalb und oberhalb der Schwelle gelegenen Reizstärken jeweils durch langsam ansteigende und abfallende Reizstärken eingegrenzt.

Als Reizintensität wurde mindestens das 3- bis 4fache des ermittelten Schwellenwertes gewählt. Die gewählte Reizintensität lag jedoch abgesehen von nadelstichartigen Mißempfindungen bei Stimulation des N. supraorbitalis unterhalb der Schmerzschwelle.

Zur Verminderung der Artefaktbildung durch den elektrischen Reizeinbruch wechselten die beiden Reizelektroden bei jedem Reiz ihre Polarität.

3.4. Ableitemethodik

Die Ableitung der evozierten zerebralen Potentiale von der Kopfhaut erfolgte mit Hilfe von silberchlorierten Oberflächenelektroden wie sie üblicherweise bei EEG-Ableitungen Verwendung finden. Um den Haut-Elektroden-Übergangswiderstand unter 5 kW zu senken, wurde die Kopfhaut unter den Elektroden mit einem Glasfaserstift etwas aufgerauht und Elektrodenpaste zwischen Haut und Elektrode aufge­tragen. Durch Messung wurde ein Haut-Elektroden-Übergangs­ wider­stand von weniger als 5 kW verifiziert.

Die Elektroden wurden gemäß dem internationalen 10/20-System angeordnet. Die Elektrodenpositionen wurden folgendermaßen bestimmt:

Am Mittelpunkt einer Linie zwischen Nasenwurzel und Protuberantia occipitalis externa wurde die indifferente Elektrode angebracht. Dieser Punkt entspricht dem Vertex oder nach dem 10/20-System Cz. Auf einer gedachten Linie zwischen Cz und dem äußeren Gehörgang wurden nach lateral 7 cm abgemessen. 2 cm hinter diesem Punkt wur­den die differenten Elektroden über beiden Hemisphären plaziert. Auf der linken Kopfseite heißt dieser Punkt C3', auf der rechten C4'. Die Ableitung erfolgte jeweils kontralateral zum Stimulationsort.

Eine Elektrode zur Erdung wurde mit einem Stirnband an der Stirn befestigt.

Die Filterbandbreite für die Verstärker erstreckte sich von der unte­ren Grenzfrequenz 20 Hz bis zur oberen Grenzfrequenz 2 kHz.

Mit Hilfe eines zum System des Meßplatzes (SCHWARZER BASIS 8000 E.P.M.-System des Herstellers O.T.E. BIOMEDICA, Modell 2780 und 2781, Importfirma PICKER INTERNATIONAL GmbH) ge­hörigen Averager wurden in der Regel 256 Reizantworten aufsum­miert. Die Analysezeit betrug 100 ms mit einer Auflösung von 1024 Adressen entsprechend etwa 0,1 ms. Ein Maximum der dargestellten Kurve bedeutete ein negatives, ein Minimum ein positives Potential der zugehörigen differenten Elektrode.

Zur sicheren Identifizierung der Peaks wurde jeder Untersuchungs­gang unter identischen Reiz- und Ableitebedingungen mindestens zweimal durchgeführt. Die beiden am wenigsten durch Artefakte beeinträchtigten Potentialkurven wurden für die Auswertung gewählt.

3.5. Auswertung der trigeminus-evozierten Potentiale

Auf dem Monitor des Meßplatzes konnten das Eingangssignal und die Potentialkurven kontinuierlich zu jedem Zeitpunkt der Mittelwert­bildung beobachtet werden. Waren hochamplitudige Artefakte durch elektrische Aktivität von Muskeln oder vom Herzen in das Eingangssignal eingestreut, konnte die Messung kurzfristig unterbrochen oder erneut durchgeführt werden.

Zur Bestimmung der Latenzzeiten wurden die Potentialspitzen mit Hilfe eines Cursors angesteuert. Die Latenzzeiten wurden dann auf dem Monitor in ms angezeigt. Bei der Auswertung wurden die ersten vier Peaks, von denen sich zwei mit negativem (N1 und N2) und zwei mit positivem (P1 und P2) Ausschlag darstellten, berücksichtigt.

Die Potentialkurven wurden mit einem x-y-Recorder der Firma PHILIPS (PM 8043) zur Dokumentation aufgezeichnet.

Die Amplituden wurden von Peak zu Peak manuell ausgemessen.

Für den Vergleich zwischen linkem und rechtem N. trigeminus wurden die Seitendifferenzen der Latenzzeiten und die Quotienten aus den Amplituden der beiden Seiten bestimmt. Bei der Quotientenbildung stand immer der größere Wert im Zähler, der kleinere im Nenner.

3.6. Kriterien zur Auswertung der Patienten-TSEP

Die TSEP der Patienten galten als pathologisch, wenn die absoluten Latenzzeiten oder die intraindividuellen Latenzzeiten im Seiten­vergleich größer als die zweieinhalbfache Standardabweichung des jeweiligen Mittelwertes waren, oder wenn im Seitenvergleich eine Amplitudenasymmetrie bestand, die außerhalb der 2,5fachen Standardabweichung des Normkollektives lag. Desweiteren galt ein Verlust einzelner Peaks der Potentialantwort oder der gesamten Potentialantwort als pathologisch, wenn er nicht durch den Reizeinbruch oder durch Bewegungsartefakte erklärbar war, oder wenn die Form der Potentialkurve nicht erhalten war.


4. Ergebnisse bei Normalpersonen

4.1. Untersuchung des N. supraorbitalis

An 32 Normalpersonen wurden die evozierten Potentiale des N. su­praorbitalis mit Hilfe des oben beschriebenen Verfahrens untersucht. Bei allen Probanden außer bei einem wurden sowohl nach Reizung des rechten als auch nach Reizung des linken Nerven Potentialkurven ab­geleitet.

Bei Stimulation mit der oben beschriebenen Elektrode lag die sensi­ble Reizschwelle bei einem Probanden unter 1 mA, bei allen übrigen Probanden lag sie zwischen 1 und 2 mA.

4.1.1. Form der Potentialkurve

Die kontralateral zum Reiz abgeleitete Potentialantwort stellte sich mit zwei negativen und zwei positiven Potentialgipfeln mit Latenzzeiten zwischen 10 und 40 ms dar (Abb. 2).

Abb. 2: Potentialantwort nach Reizung des N. supraorbitalis.

Bei 7 der 32 Probanden war zwar die typische Konfiguration der Potentialgipfel, insbesondere die des N2-Gipfels, erkennbar, eine eindeutige Peak-Identifizierung war jedoch wegen Bewegungs- und Muskelartefakten sowohl nach Reizung des rechten als auch des lin­ken Nerven nicht möglich. Ein Beispiel dafür zeigt Abb. 3. Bei einem weiteren Probanden war nach Reizung des rechten Nerven ebenfalls lediglich die Potentialkonfiguration zu erkennen, während nach Reizung des linken Nerven eine eindeutige Peak-Identifizierung und somit eine Latenzbestimmung möglich war.

Abb. 3: Potentialkonfiguration nach Reizung des N. supraorbitalis oh­ne eindeutig mögliche Peak-Identifizierung.

Bei den 48 Potentialkurven der übrigen Probanden war eine eindeu­tige Identifizierung und Reproduzierbarkeit der verschiedenen Potentialgipfel von N1 bis P2 unterschiedlich häufig. Am konstante­sten ließ sich der N2-Gipfel nachweisen. Die Gründe dafür, daß die Latenzen einzelner Peaks nicht eindeutig zu bestimmen waren, waren unterschiedlicher Natur. Entweder stellte sich ein Peak überhaupt nicht dar, oder er war nicht reproduzierbar oder auf Grund von Artefakten nicht eindeutig identifizierbar. Auf Grund des Reizartefaktes stellten sich die Gipfel N1 und P1 häufig nicht dar, waren nicht reproduzierbar oder nicht eindeutig abgrenzbar. Peak-Verzerrung durch Muskel- und Bewegungsartefakte spielte bei allen Gipfeln eine Rolle (Tab. 1).

Bei 11 Messungen stellten sich die Peaks P1 oder P2 aufgesplittert als sog. W-Formen dar. Die Latenzzeiten wurden in der Mitte des W ab­gelesen (Abb. 4).

Abb. 4: Sog. W-Form des Peaks P1 in der unteren Potentialantwort. Die Latenzzeitbestimmung erfolgte an der durch Pfeil markierten Stelle.

Tab. 1:

Nachweishäufigkeit der verschiedenen Potentialgipfel

der TSEP des N. supraorbitalis in % (n = 48)

Gipfel N1 P1 N2 P2

nachweisbar 60,4 81,3 95,8 70,8

nicht dargestellt 18,8 0,0 0,0 0,0

nicht reproduzierbar 8,3 2,1 0,0 0,0

nicht abgrenzbar 12,5 16,6 4,2 29,2

4.1.2. Normwerte der Latenzzeiten

Die Reproduzierbarkeit der Peaks der Potentialkurve wurde bei allen Probanden durch Ableitung von mindestens zwei Kurven geprüft. Die Differenz zwischen den einzelnen Messungen betrug für den Peak N1 0 - 2 ms, für den Peak P1 0 - 1,5 ms, für den Peak N2 0 - 3 ms und für den Peak P2 0 - 2 ms. Bei jedem Probanden wurden die Latenzzeiten der Peaks aus zwei Einzelkurven gemittelt. Diese Latenzzeiten wur­den zur Normwerterstellung herangezogen (Tab. 2).

Tab. 2:

Normwerte der Latenzzeiten der TSEP des N. supraorbitalis


Gipfel N1 P1 N2 P2

Mittelwerte (ms) 14,5 19,5 28,5 38,1

Standardabweichung (ms) 2,3 2,2 2,4 2,7

n 29 39 46 34

4.1.3. Normwerte der Amplituden

Zur Normwerterstellung der Amplituden wurden, wie bei den Latenzzeiten, die aus zwei Einzelmessungen gemittelten Werte jedes Probanden herangezogen. Die Amplituden zeigten eine große inte­rindividuelle Schwankungsbreite (Tab. 3).

Tab. 3:

Normwerte der Amplituden der TSEP des N. supraorbitalis

Gipfel N1/P1 P1/N2 N2/P2

Mittelwerte (mV) 0,26 0,82 0,90

Standardabweichung (mV) 0,17 0,41 0,54

n 29 39 34

4.1.4. Seitenvergleich der Latenzzeiten

Für den Seitenvergleich der Latenzzeiten wurden die Differenzen zwi­schen linker und rechter Seite bestimmt. Hierfür wurden die Kurven von Probanden herangezogen, bei denen sich die Peaks links und rechts eindeutig identifizierbar und reproduzierbar darstellten. Wie unterschiedlich die Nachweisbarkeit der Peaks im Seitenvergleich auch bei nahezu gleicher Reizstärke sein konnte, zeigt beispielhaft Abb. 5. Von der unterschiedlichen Nachweisbarkeit der Peaks sind im Seitenvergleich, wie auch schon absolut, hauptsächlich die Gipfel N1 und P1 betroffen.

Abb. 5: Seitendifferenz in der Darstellung von N1 und P1 bei Potentialantworten des N. supraorbitalis.

Um festzustellen, wie stark die Latenzzeiten im Seitenvergleich in­nerhalb eines Normkollektives voneinander abweichen, wurde für je­den Peak der Mittelwert aus den Absolutbeträgen der Seitendifferenz gebildet (Tab. 4).

Tab. 4:

Mittlere Seitendifferenzen der Latenzzeiten

Gipfel N1 P1 N2 P2

Mittelwerte (ms) 1,13 1,15 1,11 2,00

Standardabweichung (ms) 1,00 0,66 0,82 1,94

n 11 16 21 14

4.1.5. Seitenvergleich der Amplituden

Für den Seitenvergleich der Amplituden wurden Quotienten aus den Werten der linken und rechten Seite gebildet. Auch hierbei konnten nur die Kurven mit beidseitig eindeutig nachweisbaren Peaks in die Auswertung eingehen. Für jeden Peak wurde der Mittelwert aller Quotienten bestimmt (Tab. 5).

Tab. 5:

Mittlere Amplitudenquotienten bei Seitenvergleich

Gipfel N1/P1 P1/N2 N2/P2

Mittelwerte 2,98 1,84 1,85

Standardabweichung 3,13 0,51 0,88

n 11 16 14

Vor allem die Amplitude zwischen N1 und P1 wies schon in dem Normkollektiv eine große Streuung des Amplituden-Verhältnisses von linker und rechter Seite auf. Zwei Beispiele für den großen Unterschied der Amplituden im Seitenvergleich zeigen Abb. 6a und 6b.

Abb. 6 a: Seitendifferenz der Amplituden N1/P1 bei Potentialant­worten des N. supraorbitalis (Normalperson).


Abb. 6 b: Seitendifferenz der Amplituden N2/P2 bei Potentialant­worten des N. supraorbitalis (Normalperson).

4.2. Gegenüberstellung der Meßergebnisse von N. infra- und N. supraorbitalis

Bei Stimulation des N. infraorbitalis lag die sensible Reizschwelle im Vergleich zu der bei Stimulation des N. supraorbitalis mit Werten zwi­schen 2 und 7 mA und einem Durchschnittswert von 3,9 mA höher.

4.2.1. Vergleich der Potentialform

Die kontralateral abgeleitete Potentialkurve bei der Stimulation des N. infraorbitalis bestand ebenfalls aus vier Gipfeln, die sich in einem Zeitraum zwischen 11 und 43 ms darstellten. Eine Kurve des N. in­ fraorbitalis mit typischer Potentialkonfiguration zeigt Abb. 7.

Abb. 7: Potentialantwort nach Reizung des N. infraorbitalis.

Bei 3 der 21 Probanden war die Potentialkurve nur einseitig auswert­bar. Die Potentialform war zwar auch auf der Gegenseite erkennbar, eine eindeutige Peak-Identifizierung war jedoch wegen Muskel- und Bewegungsartefakten oder großen Reizeinbrüchen nicht möglich.

Bei den 39 übrigen Messungen waren die Peaks, wie bei den Ableitungen des N. supraorbitalis, mit unterschiedlicher Häufigkeit nachweisbar. Die Latenzzeit der Peaks N1 und P1 war insbesondere deshalb häufig nicht zu bestimmen, weil sich die Peaks auf Grund von großen Reizeinbrüchen nicht darstellten oder nicht eindeutig ab­grenzbar waren. Ein Beispiel hierfür zeigt Abb. 8. Muskel- und Bewegungsartefakte oder mangelnde Reproduzierbarkeit spielten bei der Identifizierung aller Peaks eine Rolle.

Abb. 8: Reizeinbruch in der Potentialantwort des N. infraorbitalis mit hierdurch bedingtem Fehlen des Peaks N1.

Aus den Angaben in der folgenden Tabelle erkennt man, daß auch bei Ableitung der Potentialantwort des N. infraorbitalis der Peak N2 am konstantesten nachweisbar ist. Während der Peak P2 bei Stimulation des N. infraorbitalis mit einer größeren Häufigkeit nachweisbar ist als bei Stimulation des N. supraorbitalis, ist die Nachweishäufigkeit der Peaks N1 und P1 bei Stimulation des N. infraorbitalis wegen starker Reizeinbrüche geringer als bei Stimulation des N. supraorbitalis (Tab. 6).

Tab. 6:

Nachweishäufigkeit der verschiedenen Potentialgipfel

der TSEP des N. infraorbitalis in % (n = 39)

Gipfel N1 P1 N2 P2

nachweisbar 53,9 74,4 94,9 87,2

nicht dargestellt 35,9 5,1 0,0 0,0

nicht reproduzierbar 7,7 7,7 5,1 5,1

nicht abgrenzbar 2,6 12,8 0,0 7,7

4.2.2. Vergleich der Latenzzeiten von N. supra- und N. infraorbitalis

Zum Vergleich der Latenzzeiten wurden für jeden Peak der Ableitungen von N. supra- und N. infraorbitalis (V1 und V2) die Mittelwerte gebildet und einander gegenübergestellt. Dabei wird deutlich, daß die Latenzzeiten der Potentialantwort des N. supraorbi­talis größer sind als die der Antwort des N. infraorbitalis. Außerdem zeigt sich, daß sowohl bei der Antwort des ersten als auch bei der des zweiten Astes des N. trigeminus die Latenzen von N1 bis P2 eine zu­nehmend größere Streuung um den Mittelwert aufweisen (Tab. 7).

Tab. 7:

Gegenüberstellung der Latenzzeiten von N. supra- und N. infra-

orbitalis

V1 V2

N1

Mittelwerte (ms) 14,5 14,1

Standardabweichung (ms) 2,3 1,7

n 29 21

P1

Mittelwerte (ms) 19,5 18,4

Standardabweichung (ms) 2,2 1,8

n 39 29

N2

Mittelwerte (ms) 28,5 26,8

Standardabweichung (ms) 2,4 1,8

n 46 37

P2

Mittelwerte (ms) 38,1 37,1

Standardabweichung (ms) 2,7 2,5

n 34 34

Um den Unterschied der Latenzzeiten zwischen erstem und zweitem Ast zu quantifizieren, wurden für jeden Peak die mittleren Differenzen zwischen den Latenzen gebildet. Dabei konnten jedoch nur die Probanden berücksichtigt werden, bei denen sowohl Ableitungen der Nn. supra- und infraorbitalis durchgeführt worden waren. Insgesamt war das bei 16 Probanden der Fall. Von je 31 Ableitungen konnten die Mittelwerte direkt verglichen werden. Bei einer Ableitung lagen nur vom N. infraorbitalis Werte vor. Für den Mittelwertvergleich wurde jeweils der Latenzwert des N. infraorbitalis vom Latenzwert des N. supraorbitalis abgezogen. Die größte Differenz bestand für den Peak N2 (Tab. 8).

Tab. 8:

Mittlere Differenzen zwischen den Latenzzeiten von N. supra- und N. infraorbitalis

Gipfel N1 P1 N2 P2

Differenzen (ms) 0,3 0,7 1,1 0,6

Standardabweichung (ms) 2,1 2,0 1,8 3,2

n 12 23 29 22

Im t-Test für paarige Stichproben wurde geprüft, wie signifikant die Differenz der Latenzzeiten zwischen N. supra- und infraorbitalis ist. Lediglich für den Peak N2 ergab sich ein signifikanter Unterschied (Irrtumswahrscheinlichkeit a £ 0,1 %). Für die übrigen Peaks lag die Irrtumswahrscheinlichkeit bei 10 % oder weit darüber.

4.3. Weitere Normwerte für den N. infraorbitalis

Neben den Normwerten für die Latenzzeiten des N. infraorbitalis sind zur Beurteilung der Meßdaten der Patienten auch die Durch­schnittswerte des Normkollektivs für die Amplituden und den Seitenvergleich von Latenzzeiten bzw. Amplituden von Bedeutung. Die Ermittlung dieser Werte erfolgte analog zur Normwerterstellung des N. supraorbitalis.

4.3.1. Normwerte der Amplituden

Zur Mittelwertberechnung der Amplituden konnten für die Amplitude N1/P1 13 Messungen herangezogen werden, für die Amplitude P1/N2 29 Messungen und für die Amplitude N2/P2 schließlich 34 Messungen. In der Tabelle 9 sind Mittelwerte und Standardabweichungen aufge­ führt.

Tab. 9:

Normwerte der Amplituden des N. infraorbitalis

Gipfel N1/P1 P1/N2 N2/P2

Mittelwerte (mV) 0,35 1,19 0,22

Standardabweichung (mV) 0,24 0,52 0,66

4.3.2. Seitenvergleich der Latenzzeiten

Zur Ermittlung der mittleren Latenzzeitdifferenz zwischen linkem und und rechten N. infraorbitalis standen für den Peak N1 die Messungen von 7 Probanden zur Verfügung, für den Peak P1 die Messungen von 11 Probanden, für den Peak N2 die Messungen von 16 Probanden und für den Peak P2 die Messungen von 14 Probanden. Die Ergebnisse sind aus der Tab. 10 ersichtlich.

Tab. 10:

Mittlere Seitendifferenzen der Latenzzeiten

Gipfel N1 P1 N2 P2

Mittelwerte (ms) 0,32 0,93 1,83 2,07

Standardabweichung (ms) 0,30 1,05 1,62 1,61

4.3.3. Seitenvergleich der Amplituden

Zur Bestimmung der mittleren Amplitudenquotienten konnten für die Amplitude N1/P1 die Messungen von 5 Probanden herangezogen wer­den, für die Amplitude P1/N2 jene von 11 Probanden und für die Amplitude N2/P2 jene von 14 Probanden. Die Tabelle 11 zeigt die Werte.

Tab. 11:

Mittlere Amplitudenquotienten bei Seitenvergleich

Gipfel N1/P1 P1/N2 N2/P2

Mittelwerte 3,10 1,40 1,53

Standardabweichung 3,66 0,42 0,91

4.4. Gegenüberstellung der Meßergebnisse von N. supraorbitalis und N. mentalis

Bei Stimulation des N. mentalis lag die sensible Reizschwelle wie bei Stimulation des N. infraorbitalis zwischen 2 und 7 mA. Der Durchschnittswert betrug hier 3,8 mA.

4.4.1. Vergleich der Potentialform

Die kontralateral abgeleitete Potentialantwort des N. mentalis be­stand wie die Antworten des N. supra- und des N.infraorbitalis aus vier Gipfeln mit Latenzzeiten zwischen 10 und 41 ms. Abb. 9 zeigt eine Kurve des N. mentalis mit typischer Potentialkonfiguration.

Abb. 9: Potentialantwort nach Reizung des N. mentalis.

Bei einem der 25 Probanden war eine eindeutige Peak-Identifizierung nach Stimulation des linken N. mentalis bei erhaltener Potential­konfiguration auf Grund von Artefakten nicht möglich. Im Vergleich zu den Ableitungen von N. supra- und N. infraorbitalis war eine eindeutige Identifizierung der Peaks also sehr regelmäßig mög­lich.

Die Nachweishäufigkeit der einzelnen Peaks war auch bei den 49 übri­gen Ableitungen des N. mentalis unterschiedlich häufig. Der Gipfel N2 war wiederum am konstantesten nachweisbar. Die übrigen Gipfel waren verglichen mit den Ableitungen von N. supra- und N. infraorbi­talis mit einem höheren prozentualen Anteil nachweisbar. Abgesehen davon kam es nicht vor, daß sich die ersten beiden Peaks auf Grund von Reizeinbrüchen nicht darstellten. Die Latenzzeit eines Peaks war nur dann nicht bestimmbar, wenn der Peak nicht reproduzierbar oder wegen Muskel- und Bewegungsartefakten nicht abgrenzbar war. Dies galt insbesondere für den Peak N1. Die prozentualen Häufigkeiten zeigt Tab.12.

Tab. 12:

Nachweishäufigkeit der verschiedenen Potentialgipfel

der TSEP des N. mentalis in % (n = 49)

Gipfel N1 P1 N2 P2

nachweisbar 83,7 95,9 98,0 93,9

nicht dargestellt 0,0 0,0 0,0 0,0

nicht reproduzierbar 6,1 2,0 2,0 4,1

nicht abgrenzbar 10,2 2,0 0,0 2,0

4.4.2. Vergleich der Latenzzeiten von N. supraorbitalis und N. menta­lis

Auch zum Vergleich der Latenzzeiten von N. supraorbitalis und N. mentalis wurden jeweils die Mittelwerte der Peaks einander gegen­übergestellt. Es zeigt sich, daß die Latenzen der Potentialantwort des N. supraorbitalis länger sind als die der Potentialantwort des N. men­ talis. Die Streuung um die Mittelwerte nimmt auch bei den Potentialantworten von V3 vom Gipfel N1 bis P2 zu. In der Tab. 10 sind die Mittelwerte der Latenzzeiten des N. supraorbitalis und des N. mentalis einander gegenübergestellt.

Setzt man die Mittelwerte der Latenzzeiten des N. infraorbitalis und des N. mentalis zueinander in Beziehung, zeigt sich, daß die Latenzzeiten des N. infraorbitalis zwar ungefähr die gleiche Größenordnung haben wie die des N. mentalis, aber zumindest hin­sichtlich der Peaks N1 und P1 größer sind. Die Latenzzeiten des N. infraorbitalis nehmen also, was die Peaks N1 und P1 betrifft, eine Mittelstellung zwischen denen des N. supraorbitalis und des N. men­talis ein.

Tab. 13:

Gegenüberstellung der Latenzzeiten von N. supraorbitalis und N. mentalis

V1 V3

N1

Mittelwerte (ms) 14,5 13,1

Standardabweichung (ms) 2,3 1,5

n 29 41


P1

Mittelwerte (ms) 19,5 17,9

Standardabweichung (ms) 2,2 1,6

n 39 47


N2

Mittelwerte (ms) 28,5 26,8

Standardabweichung (ms) 2,4 1,6

n 46 48


P2

Mittelwerte (ms) 38,1 36,7

Standardabweichung (ms) 2,7 2,3

n 34 46

Zur Quantifizierung des Unterschieds zwischen den Latenzzeiten des N. supraorbitalis und des N. mentalis wurde der Mittelwert der Latenzdifferenzen gebildet. Bei 16 Probanden waren Ableitungen von beiden Nerven durchgeführt worden, so daß bei 32 Messungen ein di­rekter Vergleich zwischen den Latenzen der einzelnen Peaks möglich war. Der Latenzwert des N. mentalis wurde vom Latenzwert des N. supraorbitalis abgezogen. Die geringste Differenz bestand für den Peak N2.

Tab. 14:

Mittlere Differenzen zwischen den Latenzzeiten von N. supraorbitalis und N. mentalis

Gipfel N1 P1 N2 P2

Differenzen (ms) 1,7 1,4 0,8 1,3

Standardabweichung (ms) 1,7 2,2 2,3 3,0

n 17 27 31 23

Zur Prüfung der Signifikanz des Unterschiedes der Latenzzeiten zwi­schen N. supraorbitalis und N. mentalis wurde ein t-Test durchgeführt. Es ergab sich bei allen Peaks ein signifikanter Unterschied. Dieser war jedoch mit einer unterschiedlich hohen Irrtumswahrscheinlichkeit verbunden. Am geringsten war sie für die Peaks N1 (0,05 %) und P1 (0,5 %), gefolgt von P2 mit 2,5 % und N2 mit 5 %.

4.5. Weitere Normwerte für den N. mentalis

Zur Beurteilung der Meßdaten der Patienten sind auch vom N. men­talis neben Normwerten für die Latenzzeiten Normwerte für die Amplituden und den Seitenvergleich von Latenzzeiten bzw. Amplituden erforderlich. Diese Werte wurden analog zur Normwerterstellung beim N. supraorbitalis bestimmt.

4.5.1. Normwerte der Amplituden

Zur Bestimmung der Mittelwerte der Amplituden des N. mentalis konnten für die Amplitude N1/P1 33 Messungen herangezogen wer­den, für die Amplitude P1/N2 47 Messungen und für die Amplitude N2/P2 46 Messungen. Tab. 15 zeigt die Ergebnisse.

Tab. 15:

Normwerte der Amplituden des N. mentalis

Gipfel N1/P1 P1/N2 N2/P2

Mittelwerte (mV) 0,55 1,56 1,57

Standardabweichung (mV) 0,36 0,79 0,79

4.5.2. Seitenvergleich der Latenzzeiten

Zur Ermittlung der durchschnittlichen Seitendifferenz zwischen lin­kem und rechten N. mentalis konnten für den Peak N1 die Messungen von 17 Probanden verwertet werden, für den Peak P1 die Messungen von 22 Probanden, für den Peak N2 die Messungen von 23 Probanden und für den Peak P2 die Messungen von 20 Probanden. In Tab. 16 sind die Ergebnisse aufgeführt.

Tab. 16:

Mittlere Seitendifferenzen

Gipfel N1 P1 N2 P2

Mittelwerte (ms) 1,11 1,19 0,77 1,47

Standardabweichung (ms) 0,83 0,86 0,80 1,27

4.5.3. Seitenvergleich der Amplituden

Zur Berechnung der mittleren Amplitudenquotienten des N. mentalis konnten für die Amplitude N1/P1 die Messungen von 11 Probanden herangezogen werden, für die Amplitude P1/N2 die Messungen von 22 Probanden und für die Amplitude N2/P2 die Messungen von 21 Probanden. Die Ergebnisse zeigt Tab. 17.

Tab. 17:

Mittlere Amplitudenquotienten bei Seitenvergleich


Gipfel N1/P1 P1/N2 N2/P2


Mittelwerte 2,11 1,46 1,43

Standardabweichung 0,86 0,38 0,36


5. Ergebnisse bei Patienten

5.1. Elektrophysiologische Befunde

Die 38 Patienten mit verschiedenen neurologischen Krankheitsbildern vaskulärer, entzündlicher, raumfordernder oder anderer Natur wiesen in insgesamt 29 Fällen (76,3 %) pathologische Veränderungen in den elektrophysiologischen Messungen der drei Äste des N. trigeminus auf. In den übrigen 9 Fällen (23,7 %) entsprachen die TSEP einem Normalbefund.

Bei vier Patienten lag als einziger pathologischer Befund eine patho­logische Seitendifferenz des Peaks N1 des N. infraorbitalis vor. Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, daß zur Normwertermittlung der Seitendifferenz dieses Peaks nur 7 Probanden zur Verfügung stan­den.

Die pathologischen Veränderungen traten isoliert oder kombiniert als pathologische Seitendifferenzen der Latenzzeiten (in 23 Fällen) oder der Amplitude (in 17 Fällen), pathologische Latenzzeit­verlän­gerun­gen (in 11 Fällen), fehlende einzelne Peaks (in 4 Fällen) oder als fehlende Potentialkurve (in 5 Fällen) auf. Diese Veränderungen betrafen einen oder mehrere Äste des N. trigeminus und galten für einen oder mehrere Peaks des gleichen Nervenastes.

Tab. 18:

Verteilung von Normalbefunden und pathologischen

TSEP-Veränderungen im Patientenkollektiv

Patientenanzahl

(insgesamt: 38 / pathologisch: 33)

Normalbefund 5

Pathologische Seitendifferenz 23

der Latenzzeit

Pathologischer Ampitudenquotient 17

Latenzzeitverlängerung 11

Fehlen einzelner 4

Potentialpeaks

Kompletter Potentialverlust 5

5.1.1. Ergebnisse bei Patienten mit Großhirnaffektionen

In dieser Gruppe handelt es sich um 5 Patienten mit Enzephalo­malazien. Alle wiesen pathologische elektrophysiologische Befunde auf.

Alle 5 Patienten zeigten pathologische Seitendifferenzen der Latenz­zeiten in einem oder mehreren Nervenästen für einen oder mehrere Peaks. Bei einem Patienten lag diese Veränderung isoliert vor und betraf lediglich den ersten Peak des N. infraorbitalis. Bei ei­nem weiteren Patienten trat eine pathologische Seitendifferenz in den Nn. supra- und infraorbitalis bei jeweils einem Peak auf. Im N. in­fra­orbitalis handelte es sich um eine grenzwertige Veränderung.

Bei den 3 übrigen Patienten lagen neben der pathologischen Seiten­differenz andere Veränderungen in Kombination hiermit vor. Bei zwei der drei Patienten traten zusätzlich pathologische Amplituden­ quotienten in je einem Nervenast für einen oder mehrere Peaks und kompletter Potentialverlust auf. Bei einem Patienten be­stand der Potentialverlust einseitig in den Nn. supraorbitalis und mentalis, bei dem anderen beidseitig im N. supraorbitalis. Bei dem dritten Patienten lag zusätzlich eine einseitig pathologisch veränderte Latenz­zeit in einem Nervenast einen Peak betreffend vor.

Der N. supraorbitalis ist in dieser Patientengruppe in vier von fünf Fällen zusammen mit einem oder beiden anderen Nervenästen des N. trigeminus betroffen.

Tab. 19:

Verteilung pathologischerTSEP-Veränderungen

bei Patienten mit Enzephalomalazien

Patientenanzahl

(insgesamt: 5 / pathologisch: 5)

Pathologische Seitendifferenz

der Latenzzeit von N1 1

des N. infraorbitalis

Pathologische Seitendifferenz

der Latenzzeit (außer N1 des 4

N. infraorbitalis)

Pathologischer Amplitudenquotient 2

Latenzzeitverlängerung 1

Kompletter Potentialverlust 2

5.1.2. Ergebnisse bei Patienten mit Hirnstammaffektionen


Die Gruppe der Patienten mit vaskulären Hirnstammaffektionen um­faßt 15 Patienten. 11 von ihnen (73,3 %) hatten pathologische Befunde in den TSEP.


Auch in dieser Gruppe lag bei einem Patienten lediglich eine patho­logische Seitendifferenz der Latenzzeit des ersten Peaks des N. in­fraorbitalis vor. In Kombination mit anderen pathologischen Veränderungen trat eine pathologische Seitendifferenz der Latenzzeit in einem oder mehreren Nervenästen für ein oder mehrere Peaks bei 7 weiteren Patienten auf. Bei einem von diesen wich der Wert nur ge­ringfügig von der Norm ab.

9 Patienten wiesen einen pathologischen Amplitudenquotienten in einem oder mehreren Nervenästen für einen oder mehrere Peaks auf. Bei einem von diesen bestand die Veränderung isoliert im N. infra­ orbitalis zwischen den Peaks N2 und P2. Bei einem weiteren be­stand die Veränderung ebenfalls zwischen den Peaks N2 und P2, aber in zwei Nervenästen. Bei den übrigen 7 Patienten war die Veränderung mit anderen pathologischen Befunden verbunden; in 6 Fällen nämlich mit pathologischen Seitendifferenzen der Latenzzeit - in einem von diesen außerdem mit einer Latenzzeitverzögerung meh­rerer Peaks eines Nervenastes und einseitigem Potentialverlust in ei­nem Nerven­ast - und in einem weiteren Fall mit einer Latenzzeitverlängerung eines Peaks eines Nervenastes, mehreren fehlenden Peaks des N. supra­orbitalis auf der einen Seite und kom­ plettem Potentialverlust auf der anderen Seite.

Bei 3 Patienten fanden sich ein- oder beidseitig pathologische Latenzzeitverzögerungen in einem oder mehreren Nervenästen für ei­nen oder mehrere Peaks. In einem Fall lag die Veränderung in allen drei Nervenästen bei mindestens einem Peak kombiniert mit einer grenzwertig pathologischen Seitendifferenz der Latenzzeit vor. Die anderen beiden Fälle sind im letzten Abschnitt bereits erwähnt.

Bei einem Patienten fehlten im N. supraorbitalis einer Seite mehrere Peaks. Der Fall dieses Patienten hat ebenfalls oben schon Erwähnung gefunden.

Bei zwei ebenfalls bereits genannten Patienten lag ein einseitiger Potentialverlust im N. supraorbitalis vor.

In 9 von 11 Fällen mit pathologischem Befund ist der N. supraorbitalis zusammen mit einem oder beiden anderen Nervenästen des N. trige­minus betroffen.

Tab. 20:

Verteilung aufgetretener pathologischer Befunde

bei Patienten mit Hirnstammaffektionen

Patientenanzahl

(insgesamt: 15 / pathologisch: 11)

Pathologische Seitendifferenz

der Latenzzeit von N1 1

des N. infraorbitalis

Pathologische Seitendifferenz

der Latenzzeit (außer N1 des 7

N. infraorbitalis)

Pathologischer Amplitudenquotient 9

Latenzeitverlängerung 3

Fehlen einzelner 1

Potentialpeaks

Kompletter Potentialverlust 2

5.1.3. Ergebnisse bei Patienten mit diffusen zerebralen Durch­blutungs­störungen

Zu dieser Patientengruppe gehören zwei Patienten, die beide ein patho­logisch verändertes TSEP aufwiesen. Beide hatten pathologische Seiten­differenzen der Latenzzeit in einem oder mehreren Nerven­ästen für einen oder mehrere Peaks. Bei einem fanden sich außerdem eine pathologische Latenzzeitverzögerung des Peaks N2 in der Potential­antwort des N. infraorbitalis sowie pathologische Ampli­tuden­quotienten in den Nn. supraorbitalis und mentalis zwi­schen den Peaks N2 und P2, bei dem anderen ließen sich die Peaks N1 und P1 im N. supraorbitalis einer Seite nicht nachweisen.

Der N. supraorbitalis ist in beiden Fällen zusammen mit einem oder beiden weiteren Nervenästen des N. trigeminus von pathologischen Veränderungen betroffen.

5.1.4. Ergebnisse bei einem Patienten mit intrazerebraler Blutung

Ein Patient mit intrazerebraler Blutung wurde untersucht. Folgende patho­logische Veränderungen wurden vorgefunden: Pathologische Seiten­differenzen betreffend Latenz und Amplitude in je einem Nervenast für je einen Peak und einseitiger Potentialverlust in einem Nervenast. Alle drei Äste des N. trigeminus waren betroffen.

5.1.5. Ergebnisse bei Patienten mit Multipler Sklerose

Zu dieser Gruppe gehören vier Patienten. Zwei von ihnen hatten zum Zeitpunkt der elektrophysiologischen Untersuchung den dritten Schub der Erkrankung, so daß die Diagnose bereits gesichert war. Bei einem Patienten war die Diagnose wahrscheinlich und bei dem vierten Patienten schließlich bestand zum Zeitpunkt der elektrophysiologi­schen Untersuchung lediglich der Verdacht auf eine Multiple Sklerose.

Bei allen Patienten zeigten sich im TSEP pathologische Veränderungen, die in absoluten Latenzzeitverzögerungen eines oder mehrerer Peaks in einem oder mehreren Ästen des N. trigeminus be­standen. Außerdem traten pathologische Seitendifferenzen der Latenzzeit für verschiedene Peaks in einem oder mehreren Ästen des N. trigeminus auf. In einem Fall zeigte sich ein einseitiger Potentialverlust für N1 und P1 im ersten Ast des N. trigeminus.

Der N. supraorbitalis wies in der Hälfte der Fälle pathologische Veränderungen auf: In einem Fall den oben erwähnten Potential­verlust von N1 und P1 als einzige pathologische Veränderung, im anderen eine einseitige absolute Latenzzeitverzögerung von N2 und eine mangelnde Abgrenzbarkeit von P2 beidseits. Diese Veränderung war mit pathologischen Befunden in den anderen beiden Nervenästen kombiniert.

In den Fällen ohne pathologische Veränderungen im TSEP des N. su­praorbitalis war lediglich jeweils ein Peak des N. infraorbitalis patho­logisch verändert.

Tab. 21:

Verteilung aufgetretener pathologischer Veränderungen

bei Patienten mit Multipler Sklerose

Patientenanzahl

(insgesamt: 4 / pathologisch: 4)

Pathologische Seitendifferenz

der Latenzzeit (außer N1 des 2

N. infraorbitalis)

Latenzzeitverlängerung 3

Fehlen einzelner 1

Potentialpeaks

5.1.6. Ergebnisse bei einem Patienten mit Retrobulbärneuritis

Es wurde ein Patient mit Retrobulbärneuritis untersucht. Außer einer pathologischen Seitendifferenz der Latenzzeit des ersten Peaks des N. infraorbitalis lagen alle Werte im Normbereich. Der N. supraorbitalis war also nicht betroffen.

5.1.7. Ergebnisse bei Patienten mit Herpes Zoster

In dem Patientenkollektiv befanden sich zwei Patienten mit Herpes Zoster. Beide boten ein pathologisch verändertes TSEP.

In einem Fall fand sich ein pathologischer Amplitudenquotient zwi­schen den Peaks N2 und P2 des N. supraorbitalis, im anderen zeigte sich eine pathologische Seitendifferenz der Latenzzeit für den ersten Peak des N. infraorbitalis, einseitige Latenzzeitverzögerungen in mehreren Nervenästen für einen oder mehrere Peaks und einen ein­seitigen Potentialverlust im N. supraorbitalis. Der erste Ast des N. tri­ geminus ist also in beiden Fällen betroffen.

5.1.8. Ergebnisse bei Patienten mit Polyneuritis cranialis

Das TSEP der beiden Patienten mit Polyneuritis cranialis entsprach in einem Fall einem Normalbefund, in dem anderen fand sich mit einer pathologischen Seitendifferenz der Latenzzeit des ersten Peaks des N. infraorbitalis und einer einseitigen Latenzzeitverkürzung des zweiten Peaks desselben Nervenastes ein nur geringfügig verändertes TSEP ohne pathologische Veränderungen der Potentialantwort des N. supra­orbitalis.

5.1.9. Ergebnisse bei einem Patienten mit M. Behçet

Ein Patient mit M. Behçet wurde untersucht. Neurologisch bestand bei diesem Patienten eine Paraparese der Beine und ein sensibles Querschnittssyndrom ab TH 3; beim Blick geradeaus und nach links gab er Doppelbilder an, es fand sich ein Nystagmus nach links; schließlich fand sich ein links betonter Intentionstremor beim Finger-Nase-Versuch. Elektrophysiologisch zeigten sich pathologische Seiten­differenzen der Latenz für je einen Peak von N. supra- und in­fraorbitalis auf. Im Falle des N. infraorbitalis handelte es sich wieder um den ersten Peak.

5.1.10. Ergebnisse bei einem Patienten mit Neurofibromatose

Bei einem Patienten lag eine Neurofibromatose v. Recklinghausen vor. In den TSEP traten als pathologische Veränderungen eine über der Norm liegende Seitendifferenz der Latenzzeit des Peaks P2 des N. supraorbitalis und eine unter der Norm liegende Amplitude zwischen den Peaks N2 und P2 des N.supraorbitalis einer Seite auf. Außerdem ließ sich der Peak N1 eben dieses Nervenastes auf einer Seite nicht reproduzieren. Der Peak P2 einer Seite des N. infraorbitalis war bei erhaltener Form der Potentialkurve nicht abgrenzbar.

5.1.11. Ergebnisse bei Patienten mit Raumforderungen im Hirnstamm

Bei zwei Patienten lagen Raumforderungen im Hirnstamm vor. Die Werte des einen lagen außer einer geringfügig pathologischen Seitendifferenz der Latenz des ersten Peaks des N. infraorbitalis im Normbereich. Bei dem anderen Patienten traten alle denkbaren Veränderungen außer einem kompletten Potentialverlust in einem oder mehreren Ästen für einen oder mehrere Peaks auf. Alle drei Äste des N. trigeminus waren betroffen.

5.1.12. Ergebnisse bei einem Patienten mit Trigeminus-Neuralgie

Es befand sich lediglich ein Patient mit Trigeminus-Neuralgie im Bereich des zweiten und dritten rechten Astes im Patientenkollektiv. Dieser wies als pathologische Befunde Latenzzeitverzögerungen je ei­nes Peaks auf beiden Seiten des ersten und dritten Astes des N. tri­geminus auf.

5.1.13. Ergebnisse bei einem Patienten mit Albers-Schönberg-Krankheit

Im Fall des Patienten mit der Marmorknochenkrankheit zeigten sich ein einseitiger kompletter Potentialverlust in den Nn. supraorbitalis und mentalis und ein beidseitiger kompletter Potentialverlust im N. infraorbitalis.

5.2. Vergleich der klinischen mit den elektrophysiologischen Befunden

Bei 20 von den 38 Patienten konnte zum Zeitpunkt der elektrophysio­logischen Untersuchung klinisch ein pathologischer Befund im Innervationsgebiet des N. trigeminus erhoben werden, oder er war aus der Vorgeschichte bekannt. Dieser manifestierte sich als einseitig ab­geschwächter oder fehlender Kornealreflex oder als Hyp- bzw. Anästhesie oder -algesie im Versorgungsgebiet eines oder mehrerer Trigeminusäste.

Die Störung im Bereich des N. trigeminus trat im Rahmen der oben aufgeführten Krankheitsbilder in folgender Verteilung auf: Bei insge­samt 9 Patienten mit vaskulären Prozessen, davon je 4 Patienten mit Enzephalomalazien bzw. Hirnstammaffektionen und ein Patient mit einer intrazerebralen Blutung; bei insgesamt 6 Patienten mit ent­zündlichen Prozessen, davon je 2 Patienten mit Multipler Sklerose, Herpes Zoster und Polyneuritis cranialis; bei insgesamt 3 Patienten mit raumfordernden Prozessen, davon 2 Patienten mit einer Raumforderung im Bereich des Hirnstammes und einer mit einer Neurofibromatose v. Recklinghausen. Schließlich wiesen auch der Patient mit der Trigeminus-Neuralgie und jener mit dem unteren Hirnnerven-Syndrom im Rahmen einer Marmorknochenkrankheit klinisch pathologische Veränderungen im Innervationsgebiet des N. trigeminus auf.

Bei allen Patienten außer bei zweien mit Hirnstammalazie und einem mit Polyneuritis cranialis war auch elektrophysiologisch ein pathologi­scher Befund zu erheben. So stimmte qualitativ bei fast allen Patienten der klinische mit dem elektrophysiologischen Befund über­ein. Das Ausmaß der Veränderungen im TSEP reichte unabhängig vom klinischen Befund von nur geringfügigen Seitendifferenzen hin­sichtlich Latenz oder Amplitude über mehr oder weniger ausgeprägte absolute Latenzverzögerungen bis hin zu fehlenden Peaks oder kom­plettem Potentialverlust. Diese Veränderungen konnten einen oder mehrere Trigeminusäste betreffen. Bei 5 Patienten waren jedoch auch auf der klinisch unauffälligen Seite pathologische Veränderungen im TSEP zu beobachten. Es handelt sich dabei um je einen Patienten mit Enzephalomalazien, Wallenberg-Syndrom bzw. Herpes Zoster, den Patienten mit der intrazerebralen Blutung sowie den Patienten mit der Trigeminus-Neuralgie.

Bei 18 Patienten konnten klinisch keine Ausfälle des N. trigeminus festgestellt werden. Von diesen wiesen unter den vaskulär bedingten Prozessen ein Patient Enzephalomalazien, 5 Patienten eine vertebro­basilä­re Insuffizienz, 6 Hirnstammalazien und 2 diffuse zerebrale Durchblutungsstörungen auf. Unter den entzündlich bedingten Prozessen wiesen 2 Patienten Multiple Sklerose und je ein Patient eine Retrobulbärneuritis bzw. einen M. Behçet auf.

Abgesehen von 2 Patienten mit vertebrobasilärer Insuffizienz bzw. Hirnstammalazie wurden bei allen trotz fehlender klinischer Symptomatik unterschiedlich stark pathologisch veränderte TSEP ab­ geleitet.

Zwei der 18 Patienten ohne klinisch pathologischen Befund machten jedoch in der Anamnese Angaben, die auf eine Störung im Innervationsgebiet des N. trigeminus hindeuten. Die subjektiven Beschwerden bestanden in beiden Fällen in Taubheitsgefühlen. Der eine Patient gehört in die Gruppe der Multiple-Sklerose-Kranken, der andere in die Gruppe von Patienten mit vaskulärer Hirnstamm­affektion. Beim Erstgenannten wies das TSEP verschiede­ne pathologische Befunde auf, letzterer hatte jedoch ein nur gering­fügig pathologisch verändertes TSEP.

Tab. 22:

Patienten mit pathologischem TSEP.

Klin. pathol. Befund: a: ja b: nein

Vaskuläre Prozesse:

Enzephalomalazien 4 / 4 1 / 1

Hirnstammaffektionen 2 / 4 5 / 6

Intrazerebrale Blutung 1 / 1

Vertebrobasiläre Insuffizienz 4 / 5 *

Diffuse Durchblutungsstörung 2 / 2

Entzündliche Prozesse:

Multiple Sklerose 2 / 2 2 / 2 *

Herpes Zoster 2 / 2

Polyneuritis cranialis 1 / 2

Retrobulbärneuritis 1 / 1

M. Behçet 1 / 1

Raumforderungen:

Im Bereich des Hirnstammes 2 / 2

Neurofibraomatose v. Recklinghausen 1 / 1

Idiopathische Trigeminusneuralgie 1 / 1

Albers-Schönberg-Syndrom 1 / 1

a: Anteil der Patienten mit pathologischem TSEP

und

klinisch pathologischem Befund

b: Anteil der Patienten mit pathologischem TSEP

ohne

klinisch pathologischen Befund


* Je ein Patient mit anamnestisch erhobenem Taubheitsgefühl im

Innervationsgebiet des N. trigeminus, zum Untersuchungszeitpunkt

klinisch unauffällig.

5.3. Ableitungsbeispiele

Die Abbildungen 10 - 14 zeigen Ableitungsbeispiele von Patienten oh­ne einen klinisch pathologischen Befund oder anamnestische Angaben über eine Beschwerdesymptomatik im Innervationsgebiet des N. tri­geminus.

Die Abbildungen 10 und 11 zeigen die Antwortpotentiale eines zum Untersuchungszeitpunkt 46 Jahre alten Patienten mit Verdacht auf Multiple Sklerose.

Die Antwortpotentiale nach Reizung des N. supraorbitalis zeigen im Seitenvergleich ein Fehlen der Peaks N1 und P1 auf der linken Seite. Bei den Antwortpotentialen nach Reizung des N. infraorbitalis und des N. mentalis fallen Unterschiede in den Amplituden im Seitenvergleich auf. Gemessen an den Normwerten kann jedoch le­diglich der Amplitudenquotient der Amplitude N1/P1 der Potentialantwort des N. mentalis als pathologisch gelten. Die übrigen Amplitudenquotienten liegen im Normbereich.

Abb. 10: Potentialantwort nach Reizung des N. supraorbitalis bei ei­nem Patienten (B. H., * 30.01.41) mit V. a. Multiple Sklerose.


Abb. 11: Potentialantworten nach Reizung der Nn. infraorbitalis (oben) und mentalis (unten) beim gleichen Patienten.

Die Abbildungen 12 und 13 zeigen die Antwortpotentiale eines zum Untersuchungszeitpunkt 75 Jahre alten Patienten mit einem Hirn­stamm­infarkt bei Arteriosklerose und arterieller Hypertonie.

Bei den Antwortpotentialen nach Reizung des N. supraorbitalis kann auf der rechten Seite lediglich der Peak N2 ausgewertet werden, wäh­rend auf der linken Seite überhaupt kein Peak zur Darstellung kam. Bei den Antwortpotentialen nach Reizung des N. infraorbitalis ist auf der linken Seite der Peak P2 nicht eindeutig abgrenzbar. Bei den Antwortpotentialen nach Reizung des N. mentalis schließlich sind wiederum Amplitudenunterschiede im Seitenvergleich zu verzeich­nen, die in diesem Fall gemessen an den Normwerten alle als patho­logisch gelten können.

Abb. 12: Potentialantwort nach Reizung des N. supraorbitalis bei ei­nem Patienten (V. A., * 12.09.11) mit Hirnstamminfarkt.


Abb. 13: Potentialantworten nach Reizung der Nn. infraorbitalis (oben) und mentalis (unten) beim gleichen Patienten.

Die Abbildung 14 zeigt die Antwortpotentiale einer zum Untersu­chungs­zeitpunkt 67 Jahre alten Patientin mit einer Hirnstammalazie bei Arteriosklerose.

Bei den Antwortpotentialen nach Reizung des N. supraorbitalis sind im Seitenvergleich einerseits eine pathologische Differenz der Latenz­zeit des Peaks P1, andererseits pathologische Amplituden­ quotienten der Amplituden P1/N2 sowie N2/P2 zu ver­zeichnen. Bei den Antwortpotentialen nach Reizung der Nn. in­fraorbitalis und mentalis sind die Amplitudenquotienten der Amplituden N2/P2 bzw. P1/N2 und N2/P2 ebenfalls als pathologisch anzusehen.


Abb. 14: Potentialantwort nach Reizung der Nn. supra-, infraorbitalis und mentalis bei einer Patientin (S. U., * 10.09.19) mit Hirnstammalazie.

Die Abbildungen 15 bis 20 zeigen Ableitungsbeispiele von Patienten mit klinisch/anamnestisch pathologischem Befund und pathologisch verändertem TSEP.

In den Abbildungen 15 und 16 handelt es sich um die Potentialantworten einer zum Untersuchungszeitpunkt 35 Jahre alten Patientin mit einer sicheren Multiplen Sklerose. Es war eine Hypästhesie und eine Hypalgesie im Innervationsgebiet der Nn. in­fraorbitalis und mentalis rechts bekannt.

Die Potentialantwort nach Reizung des N. supraorbitalis weist links­seitig ein Fehlen der Peaks N2 und P2 auf. Bei der Potentialantwort nach Reizung des N. infraorbitalis ist die Latenzzeit des Peaks N1 rechts verzögert und somit auch die Latenzzeit dieses Peaks im Seitenvergleich pathologisch verändert. Die Werte der Potential­antwort des N. mentalis hingegen liegen alle im Normbereich.

Abb. 15: Potentialantwort nach Reizung des N. supra­orbitalis bei ei­ner Patientin (K. U., * 24.09.51) mit sicherer Multipler Sklerose.


Abb. 16: Potentialantworten nach Reizung der Nn. infraorbitalis (oben) und mentalis (unten) bei der gleichen Patientin.

Die Abbildungen 17 und 18 zeigen die Potentialantworten einer zum Untersuchungszeitpunkt 33 Jahre alten Patientin mit einem Herpes Zoster oticus. Die Patientin gab Schmerzen und Kribbeln im Innervationsgebiet des N. mentalis links an, der Cornealreflex links war abgeschwächt. Außerdem bestanden eine Facialisparalyse und ei­ne Hyperakusis links.

Bei den Potentialantworten nach Reizung der Nn. supra- und in­fraorbitalis ist ein Potentialverlust der Peaks N1 und P1 links zu ver­zeichnen. Der Peak N1 ist auch in der Potentialantwort des N. in­ fraorbitalis rechts nicht zu bestimmen. Dieser Befund trat wegen gro­ßer Reizeinbrüche auch im Normkollektiv auf und ist somit nicht als pathologisch zu werten. Die Potentialantwort nach Reizung des N. mentalis weist im dargestellten Fall keine pathologischen Veränderungen auf.

Abb. 17: Potentialantwort nach Reizung des N. supraorbitalis bei ei­ner Patientin (Sch. C., * 25.01.54) mit Herpes Zoster oticus links.

Abb. 18: Potentialantworten nach Reizung der Nn. infraorbitalis (oben) und mentalis (unten) bei der gleichen Patientin.

Die Abbildungen 19 und 20 zeigen die Ableitungskurven einer zum Untersuchungszeitpunkt 80 Jahre alten Patientin mit einer rechtssei­tigen Enzephalomalazie bei Arteriosklerose und Diabetes mellitus. Bei der klinischen Untersuchung fand sich ein abgeschwächter Cornealreflex links.

In der Potentialantwort nach Reizung des N. supraorbitalis zeigen sich neben einem Potentialverlust des Peaks P2 auf beiden Seiten, linkssei­tige Latenzzeitverzögerungen der Peaks P1 und N2 sowie pathologi­sche Seitendifferenzen der Latenzzeit eben dieser Peaks. In der Potentialantwort nach Reizung des N. infraorbitalis ist der Peak N2 latenzzeitverzögert, der Peak P2 ist nicht identifizierbar, und der Peak N1 weist im Vergleich zu den Normwerten eine pathologische Seitendifferenz der Latenzzeit auf. Die Werte der Potentialantwort des N. mentalis liegen im Normbereich.

Abb. 19: Potentialantwort nach Reizung des N. supraorbitalis bei ei­ner Patientin (Sch. Ch., * 13.01.06) mit Enzephalomalazie.

Abb. 20: Potentialantworten nach Reizung der Nn. infraorbitalis (oben) und mentalis (unten) bei der gleichen Patientin.

Die Abbildungen 21 und 22 zeigen ein Ableitungsbeispiel eines zum Untersuchungszeitpunkt 64 Jahre alten Patienten mit einer Hirnstammalazie, bei dem zwar eine Hypästhesie der linken Gesichtshälfte vorlag, jedoch ein TSEP ohne einen pathologischen Befund abgeleitet wurde. Der Peak P2 der Potentialantwort des N. supraorbitalis ist beiderseits nicht eindeutig identifizierbar. Da P2 schon im Normkollektiv in 29,2 % der Ableitungen nicht eindeutig identifizierbar war und im vorliegenden Fall keine Seitendifferenz besteht, kann dieser Befund nicht als pathologisch gewertet werden.

Abb. 21: Potentialantwort nach Reizung des N. supraorbitalis bei ei­nem Patienten (N. A., * 17.08.22) mit Hirnstammalazie.


Abb. 22: Potentialantworten nach Reizung der Nn. infraorbitalis (oben) und mentalis (unten) beim gleichen Patienten.

Die Abbildungen 23 und 24 zeigen ein Ableitungsbeispiel einer zum Untersuchungszeitpunkt 60 Jahre alten Patientin mit einem Herpes Zoster des N. trigeminus, bei der das TSEP auch auf der klinisch ge­ sunden Seite pathologische Veränderungen aufweist. Die Patientin gab Schmerzen der rechten Halsseite und des rechten Ohres an, die zur Stirn und zum rechten Auge hin ausstrahlten. Typische Effloreszenzen fanden sich an der rechten Stirnhälfte und am rechten Nasenrücken, das rechte Auge war gerötet. Es bestand eine Hypästhesie und eine Hypalgesie im Innervationsgebiet des N. su­praorbitalis rechts.

Die Potentialantwort des N. supraorbitalis rechts zeigt einen Potentialverlust aller Peaks. Die Peaks N2 und P2 in der Potentialantwort des N. infraorbitalis rechts fehlen ebenfalls. Der Peak P2 des N. supraorbitalis und die Peaks N2 und P2 des N. in­fraorbitalis sind auf der linken Seite im Vergleich zur Norm latenz­zeitverzögert. Der Peak N1 des N. infraorbitalis weist eine pathologi­sche Seitendifferenz der Latenzzeit auf. Desweiteren ist der Amplitudenquotient von N1/P1 des N. mentalis pathologisch.

Abb. 23: Potentialantwort nach Reizung des N. supraorbitalis bei ei­ner Patientin (Sch. E., * 04.10.26) mit Herpes Zoster N. trigemini.


Abb. 24: Potentialantworten nach Reizung der Nn. infraorbitalis (oben) und mentalis (unten) bei der gleichen Patientin.


6. Diskussion

Die Problematik der Ableitung somatosensorisch evozierter Potentiale des N. trigeminus besteht in technischen Schwierigkeiten, die sich durch Artefakte ergeben. BENNETT und JANNETTA (1980) erwähnen unter anderem den hochamplitudigen Reizeinbruch, der aus der räumlichen Nähe zwischen Reiz- und Ableiteelektrode resultiert. Da Reiz- und Ableiteelektrode bei Stimulation des N. supraorbitalis noch näher aneinanderrücken als dies bei Stimulation des N. in­fraorbitalis oder des N. mentalis schon der Fall ist, hat das Phänomen des Reizeinbruches hierbei eine gesteigerte Bedeutung. Frühe Latenzzeiten im Bereich der ersten 20 ms gelangen mit der üblichen Reiz- und Ableitemethodik nicht zur Darstellung, da sie vom Reizeinbruch überlagert werden.

Auf Grund dieser Überlegungen wurde eine Oberflächenelektrode mit konzentrischer Anordnung von Kathode und Anode entwickelt (HIELSCHER und SATTLER, 1988). Auf diese Weise wurde zum ei­ nen das sich bei der Reizung entwickelnde elektrische Feld in seiner Ausbreitung begrenzt, zum anderen führte die konzentrische Anordnung der Elektroden zu einer höheren Stromdichte, was eine Erniedrigung der Reizschwelle und der Stromstärke des Reizes nach sich zog. Durch beide Faktoren wurde der Reizeinbruch reduziert. Gemäß BENNETT und JANNETTA (1980) wurde der Stimulus­artefakt außerdem durch die mit jedem Reiz alternierende Polarität der Elektrode vermindert.

Mit Hilfe dieser Elektrode war es möglich, die elektrischen Reizartefakte so zu vermindern, daß bei allen Probanden des Normkollektives zumindest die typische Konfiguration der Poten­tial­gipfel N1, P1, N2 und P2 mit Latenzzeiten zwischen 10 und 40 ms zur Darstellung gebracht werden konnte. Bei 75% der Probanden war eine eindeutige Identifizierung und Reproduzier­barkeit der veschiedenen Potential­ gipfel gegeben, wenn auch mit unterschiedlicher Häufigkeit. Am konstantesten nachweisbar war der Gipfel N2, der auch dann am ehesten zur Darstellung kam, wenn nur die typische Konfiguration der Potentialgipfel zu erkennen war.

Als Besonderheit in der Potentialkonfiguration sind sogenannte W-Formen zu erwähnen. Das bedeutet eine W-förmige Aufsplitterung von Peaks, die insbesondere die Peaks P1 und P2 betraf. Solche W-förmig aufgesplitterten Peaks sind bereits von GIBLIN (1964) be­schrieben worden. GIBLIN (1964) zieht in Betracht, daß die positiven Komponenten des Peaks unterschiedliche Potentialfelder auf der Hirn­oberfläche repräsentieren, da sie bei Steigerung der Stimulus­intensität in unterschiedlichem Maße Veränderungen der Latenz und der Amplitude erfahren.

Ein Hinweis dafür, daß der Reizeinbruch nicht in jedem Fall völlig eliminiert werden konnte, ist die Tatsache, daß die Nach­weis­häufigkeit von N1 im Vergleich zu den anderen Potentialgipfeln am geringsten war. Außerdem war für den größten Anteil der nicht abgrenzbaren N1-Gipfel mangelnde Darstellbarkeit verantwortlich. Die im Vergleich zum N2-Peak geringere Nachweishäufigkeit der Peaks P1 und P2 hingegen beruhte in keinem Fall auf einer mangelnden Darstellbarkeit, sondern auf mangelnder Reproduzier­barkeit bzw. mangelnder Identifizierbarkeit.

Wie sich an der Nachweishäufigkeit der Potentialgipfel des N. in­fraorbitalis ablesen läßt, ist der Reizeinbruch auch bei der Ableitung der Potentialkurve des N. infraorbitalis von Bedeutung: Zum einen ist die Nachweishäufigkeit des N1-Gipfels am geringsten, zum anderen ist wiederum für den größten Anteil nicht abgrenzbarer N1-Gipfel und für einen kleinen Anteil nicht abgrenzbarer P1-Gipfel mangelnde Darstellbarkeit verantwortlich. Die im Vergleich zu dem N2-Peak ge­ringere Nachweishäufigkeit von P1 und P2 ist hauptsächlich auf man­gelnde Reproduzierbarkeit bzw. mangelnde Identifizierbarkeit zu­rückzuführen.

Bei der Ableitung der Potentialkurve des N. mentalis ist der Reizeinbruch in Anbetracht der Nachweishäufigkeit der Peaks wohl kaum relevant. Bei keinem der Probanden waren die Gipfel N1 oder P1 auf Grund eines Reizeinbruches nicht darstellbar. Diese Beobachtung bestätigt, daß der Reizeinbruch bei größerer Entfernung zwischen Reiz- und Ableiteelektrode abnimmt. Die geringere Nach­weis­häufigkeit der Gipfel N1, P1 und P2 gegenüber N2 beruhte auf mangelnder Reproduzierbarkeit oder mangelnder Identifizierbarkeit.

Neben dem durch den Reizeinbruch hervorgerufenen Artefakt sind die durch die perkutane, zum Teil schmerzhafte Stimulation hervorge­rufenen Artefakte durch Muskelaktivität von hervorragender Bedeu­ tung (BENNETT und JANNETTA, 1980, BUETTNER et al., 1982, FINDLER und FEINSOD, 1982, BADR et al., 1983, SCHIEPATTI und DUCATI, 1984, BUDDENBERG, 1987). Bei Stimulation der Nervenäste des N. trigeminus entstehen Muskelartefakte durch motorische Aktivität in den Mm. orbicularis oculi, orbicularis oris und der Kaumuskulatur.

Nach der Empfehlung von BENNETT und JANNETTA (1980) wurde für die Ableitung der Potentiale des N. infraorbitalis und des N. men­talis mit einer Stimulusintensität gereizt, die dem 3- bis 4fachen des sensiblen Schwellenwertes entsprach. Für die Ableitung der Potentiale des N. supraorbitalis reichte diese Stimulusintensität zum Teil nicht aus, so daß auch mit höheren Intensitäten gereizt wurde (bis zum 6fachen des Schwellenwertes). Dabei ist zu berücksichtigen, daß der sensible Schwellenwert bei Stimulation des N. supraorbitalis mit 1 - 2 mA deutlich unter den Schwellenwerten bei Stimulation des N. in­fraorbitalis und des N. mentalis lag. Die Erniedrigung des Schwellenwertes ist am ehesten darauf zurückzuführen, daß die Stromdichte bei der konzentrischen Reizelektrode höher ist als bei den konventionellen Elektroden. Somit liegt dann auch die Stromstärke des applizierten Reizes bei Reizung mit der konzentri­schen Reizelektrode unterhalb derer bei Reizung mit konventionellen Elektroden. Trotz der relativ niedrigen Stromstärke des applizierten Reizes führte die Stimulation auf Grund der hohen Stromdichte zu nadelstichartigen Mißempfindungen am Stimulationsort.

Die mangelnde Reproduzierbarkeit und die mangelnde Identi­fizierbarkeit, die besonders die Peaks N1 und P1 betrafen und bei Stimulation aller Äste des N. trigeminus auftraten sind nur durch Artefakte auf Grund von mangelnder Entspannung oder Muskel­aktivität in der Umgebung des Stimulationsortes erklärbar.

Auch wenn der Reizeinbruch und ausgeprägte Muskelartefakte - beson­ders in Form des Blinkreflexes - die Ableitung der Potentialkurve des N. supraorbitalis im Vergleich zur Ableitung des N. infraorbitalis und des N. mentalis erheblich erschweren, konnten wir Antwort­potentiale ableiten, deren Form mit der von der Stimulation des zweiten und dritten Astes bekannten identisch ist. Außerdem stimmen die Potentialkurven in ihrer Form auch mit den durch Luftstrahl evozierten Antwortpotentialen überein (SCHIEP­PATI und DUCATI, 1984). Desgleichen kann eine Übereinstimmung der Potentialantwort mit der von SALAR et al. (1982), die mit subkutanen Nadelelektroden stimulierten, festgestellt werden. In ihrer Unter­suchung stellte sich jedoch ein unserem N1-Peak entsprechen­der Gipfel nicht dar, lediglich die Gipfel mit längeren Latenzzeiten kamen zur Darstellung.

Um den Kurvenverlauf, die Latenzzeiten und die Amplitudenwerte, die man bei Ableitung der Potentialkurven der drei Äste des N. tri­geminus erhält, untereinander vergleichen zu können, ist es erforder­lich, gleiche Reiz- und Ableitebedingungen einzuhalten. Denn schon geringe Änderungen des Stimulationsortes oder Positionsänderungen der Ableiteelektroden führen zu erheblichen Veränderungen der Potentialkurve (BENNETT und JANNETTA, 1980).

Bei Stimulation des N. infraorbitalis und des N. mentalis konnten in Übereinstimmung mit den Angaben in der Literatur Potentialkurven abgeleitet werden, die zwei negative und zwei positive Peaks umfas­ sen.

Die Abweichungen der Latenzzeiten gegenüber den in der Literatur angegebenen Werten hängen mit den unterschiedlichen Reiz- und Ableite­bedingungen zusammen. Größenordnungsmäßig liegt jedoch eine Entsprechung vor. So entsprechen die Werte für die Gipfel N1 von 13,1 ms, P1 von 17,9 ms, N2 von 26,8 ms und P2 von 36,7 ms nach Stimulation des dritten Astes des N. trigeminus den von DRECHSLER et al. (1977, 1980, 1986) beschriebenen N14, P23, N34 und P44 und den von FINDLER und FEINSOD (1982) beschriebenen N13, P19 bzw. P24, N33 und P46.

Was die Latenzzeiten nach Stimulation des N. infraorbitalis betrifft, ist ebenfalls eine Entsprechung mit den in der Literatur angegebenen Werten festzustellen. Die Werte für die Gipfel N1 von 14,1 ms, P1 von 18,4 ms, N2 von 26,8 ms und P2 von 37,1 ms finden ihre Entsprechung bei BENNETT und JANNETTA (1980), allerdings in umgekehrter Polarität. Der von ihnen beschriebene erste positive Peak zwischen 12 und 15 ms ist dem in vorliegender Untersuchung gefundenen N1 zu­zuordnen, die folgenden Peaks mit Latenzzeiten von 20, 34 und 51 ms jeweils P1, N2 und P2. Genauso entsprechen die von FINDLER und FEINSOD (1982) beschriebenen Peaks P14, N18 bzw. N23, P38 und N44 und die von BADR et al. (1983) abgeleiteten Peaks P20, N30 und N40 jeweils größenordnungsmäßig N1, P1, N2, und P2.

BUDDENBERG (1987), der sich auf die Ableitung früher Latenzzeiten nach Stimulation des zweiten Astes des N. trigeminus über die Nasenschleimhaut konzentriert, um Aussagen über die Integrität der Hirnstammfunktionen machen zu können, findet zwei konstant ableitbare Peaks nach 13 und 19 ms, die ihre Entsprechung in unserem N1 und P1 haben.

Frühe Peaks mit Latenzzeiten unter 10 ms konnten in vorliegender Untersuchug nicht ermittelt werden. Die Diskussion über diese frühen Latenzen wird in der Literatur kontrovers geführt. DRECHSLER et al. (1977, 1980, 1986), FINDLER und FEINSOD (1982), SINGH (1982), HUANG und FEELY (1982), LEANDRI et al. (1985, 1987) und BUDDENBERG (1987) deuten ihre unter verschiedenen Reiz- und Ableitebedingungen innerhalb der ersten 10 ms gewonnenen Peaks als hirnelektrische Aktivität, die von subkortikalen Generatoren wie z. B. dem Ganglion Gasseri, Kerngebieten des N. tri­geminus im Hirnstamm oder peripheren Anteilen des N. trigeminus stammt.

Mit vorliegender Untersuchung vergleichbar sind jedoch lediglich die Untersuchungen von DRECHSLER et al. (1977, 1980, 1986) und die von FINDLER und FEINSOD (1982), da die Stimulation nur in diesen Untersuchungen perkutan mit Hilfe von Oberflächenelektroden am Nervenaustrittspunkt durchgeführt wurde.

In Übereinstimmung mit BADR et al. (1983) und LEANDRI et al. (1985) gehen wir davon aus, daß die von oben genannten Untersuchern abgeleitete frühe Potentialantwort nicht Ausdruck hirn­elektrischer Aktivität im Ganglion Gasseri ist, sondern auf reflekto­rischer Muskelaktivität beruht und somit als Artefakt die tatsächliche frühe Antwort überlagert.

Vergleicht man die Latenzzeiten der Potentiale des N. infraorbitalis mit denen des N. mentalis, sind für alle Peaks bei Stimulation des N. mentalis kürzere Latenzzeiten als bei Stimulation des N. infraorbitalis festzustellen. Dieses Phänomen wurde bereits von BUETTNER et al. (1982) beschrieben und findet darüberhinaus seine Bestätigung beim Vergleich der Latenzzeiten der Potentiale des N. supraorbitalis mit denen des N. infraorbitalis. Die Latenzzeiten bei Stimulation des N. infraorbitalis sind für alle Peaks kürzer als bei Stimulation des N. supraorbitalis. Der t-Test hat beim Vergleich der Latenzzeiten des N. supraorbitalis mit denen des N. infraorbitalis jedoch nur für den Gipfel N2 einen signifikanten Unterschied ergeben. Beim Vergleich der Latenzeiten des N. infraorbitalis mit denen des N. mentalis lag das Signifikanzniveau für alle Peaks sehr niedrig. Deshalb ist der Tendenz zu kürzeren Latenzzeiten, je weiter Reiz- und Ableiteelektrode von­einander entfernt sind, keine größere Bedeutung beizumessen.

Betrachtet man die Mittelwerte der Amplituden der Potentiale des ersten, zweiten und dritten Trigeminusastes, fällt zum einen jeweils eine Zunahme der Werte von N1/P1 zu N2/P2 auf, zum anderen sind die Amplitudenwerte für den ersten Ast kleiner als die für den zweiten Ast und diese wiederum kleiner als die für den dritten Ast.

Da die Standardabweichung von den Mittelwerten der Amplituden der Potentialantwort des ersten, zweiten und dritten Trigeminusastes sehr hoch ist und somit große interindividuelle Unterschiede bestehen, sind die Absolutwerte der Amplituden kein zuverlässiger Indikator für pathologische Befunde. Deshalb sollten die Amplituden nur im Seitenvergleich beurteilt werden.

An den mittleren Amplitudenquotienten und ihren Standard­abweichungen kann man eine große intraindividuelle Varia­bilität der Amplitude zwischen N1 und P1 für die Potentialantwort aller drei Nervenäste des N. trigeminus ablesen. Am größten ist diese Variabilität für den N. supraorbitalis, bei dem auch für die Amplitude zwischen P1 und N2 und die zwischen N2 und P2 ei­ne größere Variabilität vorliegt als bei den anderen beiden Nervenästen.

Da die Amplituden - insbesondere N1/P1 - bereits im Normkollektiv bei allen drei Nervenästen des N. trigeminus im Seitenvergleich um 50% und mehr voneinander abweichen, ist nur solchen Veränderungen pathologische Bedeutung beizumessen, die außerhalb der 2,5fachen Standardabweichung des im Normkollektiv ermittelten mittleren Ampli­tu­denquotienten liegen. Besonders kritische Maßstäbe müssen für die Amplituden der Potentialantwort des N. supraorbitalis sowie für die Amplitude zwischen N1 und P1 der Potentialantwort des N. in­fraorbitalis und des N. mentalis angelegt werden.

Die mittleren Seitendifferenzen der Latenzzeiten waren für alle drei Nervenäste für den Peak P2 am größten. Die geringsten intraindivi­duellen Schwankungen ergaben sich für den Peak N2. Nur bei der Potentialantwort des N. infraorbitalis lag die Variabilität für den Peak N2 ähnlich hoch wie für den Peak P2, während die Variabilität für Peak N1 und P1 deutlich niedriger lag als bei der Potentialantwort des N. supraorbitalis und mentalis. Vermutlich ist diese Divergenz auf die geringere Anzahl an Potentialkurven zurückzuführen, die zur Ermitt­lung der mittleren Seitendifferenzen der Latenzzeiten des N. infra­orbitalis zur Verfügung standen.

Die Untersuchungen von Patienten mit verschiedenen neurologischen Krankheitsbildern zeigen, daß unabhängig von Art und Schwere der Erkrankung im TSEP alle grundsätzlich möglichen pathologischen Veränderungen von Seitendifferenzen hinsichtlich Latenzzeit und Amplitude über absolute Latenzzeitverlängerungen bzw. -verkür­zungen bis hin zum Fehlen einzelner Peaks oder der gesamten Potentialantwort auftreten können.

Dieses Ergebnis deckt sich mit der in der Literatur gemachten Angabe, daß unabhängig von der Art des pathologischen Prozesses nur typische, nie aber spezifische SEP-Muster auftreten (JÖRG und HIELSCHER, 1984). SEP-Abnormitäten können daher lediglich auf eine Störung im Bereich der geprüften Strukturen hinweisen, ohne je­doch dafür spezifisch zu sein oder gar eine objektive Sensibilitätsprüfung darzustellen (BAUST et al., 1974).

Inwieweit der klinische Befund mit dem elektrophysiologischen bei Störungen im Ausbreitungsgebiet des N. trigeminus korreliert, sollte in einer systematischen Untersuchung an einem größeren Patientengut überprüft werden.

Als Tendenz ist im untersuchten Patientenkollektiv bei klinisch posi­tivem Befund eine qualitative Übereinstimmung zwischen klinischem und elektrophysiologischem Befund festzustellen. Es treten jedoch auch pathologische Veränderungen im TSEP auf der klinisch unauf­fälligen Seite auf, und nahezu alle Patienten ohne einen klinischen Befund weisen unterschiedlich stark ausgeprägte pathologische Veränderungen im TSEP auf.

Aufgrund der erörterten methodischen Schwierigkeiten bei der Ableitung zerebraler Potentialantworten durch Stimulation des N. tri­geminus, insbesondere seines ersten Astes ist eine kritische Beurteilung hinsichtlich pathologischer Befunde im TSEP erforder­lich. Eine Bewertung sollte nur eingeschränkt bei eindeutigen Kurvenbildern im Seitenvergleich erfolgen. Die Patientenbeispiele zeigen auch bei Patienten ohne einen klinisch/anamnestischen Befund im Seitenvergleich pathologische Befunde im TSEP, so daß die elektrophysiologische Untersuchung des N. trigeminus lediglich als zusätzliches diagnostisches Hilfsmittel dienen kann.


7. Zusammenfassung

Nach einer Übersicht über bisher erschienene Publikationen zur Metho­dik und klinischen Anwendung somatosensorisch evozierter Poten­tiale wurde in dieser Arbeit eine neue, konzentrisch angeord­nete elektrische Reizelektrode vorgestellt, mit der es gelingt, zere­brale evozierte Potentiale nach Stimulation des N. supraorbitalis abzuleiten. Die konzentrische Anordnung von Kathode und Anode ermöglichte durch Begrenzung des sich entwickelnden elektrischen Feldes eine Reduktion elektrischer Reizartefakte, die aufgrund der Nähe zwischen Reiz- und Ableiteelektrode bereits bei Stimulation des N. infraorbitalis und des N. mentalis oftmals erhebliche Schwie­rigkeiten bereiten.

Wie die Anwendung des Verfahrens bei einem Kollektiv von 32 gesun­den Probanden zeigt, ist es immer möglich, eine von der Form her reproduzierbare Potentialantwort zur Darstellung zu bringen. Die exak­te Identifizierung der Latenzzeit einzelner Potentialgipfel ist jedoch im Einzelfall durch Bewegungs- und Muskelartefakte erschwert. Am konstantesten läßt sich der Peak N2 bestimmen. Die geringere Nachweis­häufigkeit der Peaks N1 und P1 - besonders bei Stimulation der Nn. supra- und infraorbitalis - deutet auf eine unvollständige Elimination des Reizeinbruches hin.

Beim Vergleich der Potentialantworten der Nn. supra- und infraorbi­talis bzw. mentalis ist eine Übereinstimmung der Potential­konfi­gura­tion festzustellen. Die Nachweishäufigkeit der ein­ zelnen Peaks der Potentialantwort nimmt mit größerer Entfernung der Reiz- von der Ableiteelektrode zu und ist somit in der Potentialantwort des N. mentalis am höchsten.

Bei der Frage nach pathologischen Befunden ist wegen der mangeln­den exakten Reproduzierbarkeit einzelner Potentialgipfel der Poten­tial­antwort des N. supraorbitalis eine kritische Beurteilung er­forder­ lich. Anhand von Untersuchungen von einzelnen Patienten mit ver­schie­denen neurologischen Krankheitsbildern wurde deutlich, daß die vorgestellte Methode bei eindeutigen Kurvenbildern vor allem im Seitenvergleich ein diagnostisches Hilfsmittel und eine wichtige Ergänzung zum elektrischen Blinkreflex darstellt, weil sie ausschließ­lich das afferente System untersucht.


8. Literaturverzeichnis

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9. Anhang

Danksagung

Herrn Prof. Dr. H. Hielscher möchte ich für die freundliche Überlassung des Themas, seine bereitwillige Hilfe bei der Durchführung der Untersuchungen sowie seine Unterstützung bei der Abfassung der Arbeit herzlich danken.

Den Angestellten des Medizinischen Zentrums für Nervenheilkunde, insbesondere den Medizinisch Technischen Assistentinnen des
EEG/EMG-Labors, bin ich auf Grund ihrer wertvollen Hinweise zur Bedienung der Meßgeräte sehr verbunden.

Schließlich möchte ich allen Probanden und Patienten danken, die bereit waren, sich zur Erstellung der Normwerte bzw. zur Darstellung von pathologischen Befunden der Untersuchung zu unterziehen.


© Dr. Judith Strickling, Drususstr. 15, 45821 Haltern,

Impressum, Emailadresse

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